Zweiter Artikel. Die Güte des Willens hängt vom Gegenstande allein ab.
a) Dagegen steht: I. Der Zweck ist dem Willen verwandter wie einem anderen Vermögen. Die Thätigkeiten der anderen Vermögen aber erhalten ihre Güte vom Gegenstande und vom Zwecke; wie Kap. 18 dargelegt. Also ist dies um so mehr beim Willen der Fall. II. Auch von den Umständen hängt die Güte des moralischen Aktes ab. Die Umstände aber fließen ein in verschiedentlicher Weise auf das moralisch Gute oder Böse im Willensakte; denn es muß jemand wollen, wann, wie, wo, wie viel etc. sich gebührt. Also nicht vom Gegenstande allein hängt die moralische Beschaffenheit des Willens ab. III. Zudem entschuldigt den bösen Willen die Unkenntnis der Umstände; was nicht der Fall wäre, wenn die moralische Beschaffenheit des Willens nicht von den Umständen abhinge, sondern bloß vom Gegenstande. Auf der anderen Seite verleihen die Umstände als solche dem Akte nicht die Wesensstufe oder Gattung. „Gut“ und „Böse“ aber begründen den Wesensunterschied in den Willensakten. Also nicht von den Umständen, sondern rein vom Gegenstande hängt die moralische Beschaffenheit des Willens ab.
b) Ich antworte, daß im Bereiche jeglicher Seinsart etwas um so einfacher und weniger zusammengesetzt ist in seinem Sein, je früher es ist; wie ja die ersten Körper die einfachen sind. Was also überhaupt zuerst ist in einer Seinsart, das ist im selben Grade einfach und besteht mehr in der Einheit. Das Princip aber oder das Erste in den menschlichen Handlungen, soweit es auf deren Güte oder Bosheit ankommt, ist die Thätigkeit des Willens; und somit wird die Güte und Bosheit des Willens gemäß etwas Einheitlichem abgeleitet, während die Güte und Bosheit der Thätigkeit bei den anderen Vermögen nach verschiedenartiger Richtschnur hin erwogen wird. Jenes Einheitliche nun, was da Princip ist in einer Seinsart, ist dies nicht in nebensächlicher Weise, mit Rücksicht auf etwas Äußerliches, sondern an und für sich; da ja Alles, was nebensächlich ist, auf etwas sich zurückführen läßt als auf sein Princip, was dies kraft seiner inneren Natur, nämlich von sich aus ist. Und deshalb hängt der Charakter des Guten oder Bösen im Willen von jenem Moment allein ab, was von sich aus, ohne erst notwendigerweise Rücksicht nehmen zu müssen auf etwas Äußerliches, den Charakter des Guten im Akte macht; also vom Gegenstande allein und nicht von den Umständen, die da nur von außen hinzutretende Eigenschaften, die nur Accidentien des moralischen Aktes sind.
c) I. Der Zweck ist der Gegenstand des Willens, nicht aber der anderen Vermögen. Also mit Rücksicht auf den Willensakt ist die Güte, welche vom Gegenstande herkommt, nicht verschieden von der, welche dem Zwecke entstammt, wie dies bei der Thätigkeit der anderen Vermögen derFall ist. Es könnte dies nur zufälligerweise stattfinden, insoweit ein Zweck vom anderen abhängt und ein Wollen vom anderen. II. Vorausgesetzt der Wille sei auf das Gute gerichtet, so kann kein Umstand ihn zu einem schlechten machen. Wenn also gesagt wird, jemand wolle ein Gut, wann er nicht soll es wollen, das kann einmal auf das Gewollte selber bezogen werden; und dann wäre eben der Wille nicht auf das Gute gerichtet, denn etwas thun wollen, wann dies nicht geschehen soll, will nicht besagen: etwas Gutes wollen. Dann kann es auf den Willensakt bezogen werden; und so ist es unmöglich, daß jemand das Gute will, wann er nicht muß, denn der Mensch muß immer das Gute wollen. Nur zufällig könnte es sein, daß jemand dadurch daß er dieses bestimmte Gut will, davon abgehalten wird, ein gebührendes Gut zu wollen, ein Gut, das er wollen müßte; in diesem Falle ist es nicht ein Übel, daß er dieses eine Gut will, sondern daß er nicht das andere Gut will. Und ähnlich gilt es von anderen Umständen. III. Die Unkenntnis entschuldigt den bösen Willen, insofern die Umstände sich finden auf seiten des Gewollten; insofern nämlich jemand nicht die Umstände dessen kennt, was er will.