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S. 251 Für die uns zunächst obliegende Aufgabe, das Leben unseres Dichters kurz zu skizzieren, befinden wir uns in der glücklichen Lage, verschiedene Vorarbeiten benützen zu können1, in welchen das verhältnismäßig reiche Quellenmaterial nicht nur vollständig zusammengestellt, sondern auch ausgiebig erörtert ist. Gleichwohl ist es zum Verständnis des Ganzen notwendig, die wichtigsten Quellen namhaft zu machen und kurz zu charakterisieren.
Abgesehen von den in den Schriften Jakobs selbst enthaltenen Daten und vereinzelten Notizen des Styliten Josue, des Dionysius von Telmahar, des Barhebräus, des Nestorianers Mares und einiger anderer syrischer Autoren, besitzen wir die folgenden drei Biographien unseres Dichters2.
1. Die bei Assemani3 zum ersten Male im syrischen Original aus einer römischen Handschrift veröffentlichte Lebensbeschreibung des Jakob von Edessa. Sie ist ganz kurz und kann nach Assemani nicht vor der Zeit der Araberherrschaft angesetzt werden, da sie Sarug bereits als Name der Stadt Batnä gebraucht4.
2. Die Londoner Biographie, deren Verfasser nicht genannt wird, der vorigen sehr ähnlich und fast ebenso kurz.
3. Sehr ausführlich ist dagegen ein im zwölfsilbigen sogenannten jakobitischen Versmaß gedichteter Pane- S. 252 gyrikus, welchen ein gewisser Georgius zum liturgischen Gebrauch am Gedächtnistage des hl. Jakob von Sarug verfaßt hat5. Die Überschrift dieses Panegyrikus bezeichnet den Verfasser ausdrücklich als Mar, was bei sonst weniger bedeutenden Persönlichkeiten nur die bischöfliche Würde bezeichnen kann, und als Schüler Jakobs von Sarug. Wäre diese Angabe richtig, so würde unser Lobgedicht als ein höchst glaubwürdiges historisches Dokument anzusehen sein. Es ist darum unerläßlich, hier auf die wichtige Frage nach seinem wirklichen Autor etwas näher einzugehen.
Bei dieser Untersuchung müssen wir drei George sorgfältig unterscheiden, welche schon von älteren syrischen Schriftstellern in höchst verwirrender Weise mit einander verwechselt werden. Barhebräus erwähnt in seiner Chronik6 einen Georg als Schüler Jakobs von Sarug, auf dessen Bitten dieser die sechs Zenturien des Evagrius erklärt oder übersetzt habe. Diese so bestimmte Notiz kann Barhebräus nicht aus der Luft gegriffen haben; dagegen beruht es sicher auf Verwechslung mit dem folgenden Georg, wenn er den Schüler des Sarugers als „Bischof der Völker“ bezeichnet. Matagne, welcher alle drei George für identisch hält, nimmt umgekehrt an, Barhebräus habe den Jakob von Sarug mit seinem Namensgenossen von Edessa verwechselt, welch letzterer in Wirklichkeit die Zenturien für den Araberbischof Georg übersetzt habe. Aber in London befinden sich syrische Handschriften des Evagrius aus dem sechsten Jahrhundert, also aus der Zeit vor Jakob von Edessa. Im siebten Jahrhundert lebte ferner ein anderer als Schriftsteller bekannter Georgius, welcher Monophysit war und den Titel „Bischof der Völker“ oder genauer „Bischof der Arabervölker“ führte. Um die Verwirrung vollständig zu machen, gibt es nun noch einen dritten Georg, Zeitgenossen des vorigen und ebenfalls Monophysit, welcher Bischof von Sarug war. In einer Londoner Handschrift wird er mit dem Araber- S. 253 bischof identifiziert, was Matagne7 billigt; doch scheint auch dies nur eine der vielen Verwechslungen zwischen den drei Georgen zu sein.
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Vergl. Assemani, Bibl. Orient. I S. 283; P. Matagne, S. J., Acta Sanctorum, Okt. XII S. 824; Abbeloos, De vita et scriptis S. Jacobi Batnarum Sarugi Episcopi, Löwen 1867; P. Bedjan, Homiliae selectae Mar Jacobi Sarugensis, tom. I Avant-propos S. V —XVII. Vergl. auch Duval, Litt. Syr. S. 351 ff. ↩
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Alle drei Biographien neu herausgegeben bei Abbeloos a. a. O. ↩
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Bibl. Orient I S. 286 und 299. ↩
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Vergl. Martin ZDMG XXX S. 211, Anm. 3. ↩
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Außer bei Abbeloos a. a. O. auch teilweise abgedruckt bei Cardahi, Liber Thesauri S. 37. ↩
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Vergl. Bibl. Orient. II S. 322. ↩
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Etudes religieuses, historiques et litéraires, 1869 S. 151. ↩