1.
Arme Leute, welche die Festtage lieben und mit sehnsüchtigem Herzen und in glänzendem Äussern sich an den Festlichkeiten betheiligen wollen, entlehnen, wenn sie auch selbst den Schmuck, in dem sie zu erscheinen wünschen, nicht bestreiten können, von ihren Freunden und Bekannten den ganzen kostspieligen Aufwand, und bewirken so, daß ihnen für das augenblickliche Bedürfniß Nichts mangelt. Dieß, glaube ich, begegnet heute auch mir. Denn da ich nichts Großartiges zur gegenwärtigen Lobrede aus mir selbst beitragen kann, so werde ich zu dem heiligen Gesange, den wir soeben gesungen haben, meine Zuflucht nehmen. Indem ich von daher den Stoff nehme, werde ich meiner Aufgabe zu genügen suchen, indem ich auch das Meinige mit den Worten der Schrift verwebe, falls auch dem armen Knechte einige Lobpreisungen der Dankbarkeit gegen den Herrn zu Gebote stehen. Es sprach also soeben David und wir mit ihm: „Lobet den Herrn alle Geschlechter, preiset ihn alle Völker.“1 Jeden Menschen von Adam an ruft er zum Lobgesang und läßt Keinen ungerufen, sondern die vom Niedergang und Aufgang und die zu beiden Seiten, mag Einer in der Nähe des Nordpols oder gegen Mittag wohnen,2 Alle sucht er zugleich durch den Psalm zu bewegen. Und anderswo spricht er gesondert zu einigen Menschen, indem er entweder die Heiligen3 ruft oder die Knaben4 zu Lobgesängen aufmuntert, jetzt aber führt er mit seinem S. 346 Psalmengesang Geschlechter und Völker zusammen. Denn „wenn die Gestalt dieser Welt,“ wie der Apostel sagt, „vorübergegangen,“5 und Christus Allen als Gott und König erschienen ist, und er jede ungläubige Seele überzeugt und jede gotteslästerische Zunge gebändigt, und der Thorheit der Heiden und der Verblendung der Juden und der unbezähmten Faselei der Irrlehrer Einhalt gethan hat, dann werden alle Geschlechter und Völker von Ewigkeit her sich niederwerfen und ohne Widerrede anbeten, und es wird eine wunderbare Übereinstimmung in der Lobpreisung herrschen, indem die Heiligen nach ihrer Gewohnheit ihre Lobgesänge anstimmen, die Gottlosen nothgedrungen um Hilfe flehen, und dann wird in Wahrheit der Siegesgesang von Allen einstimmig erhoben werden, sowohl von den Besiegten, als den Siegern; dann wird man auch sehen, wie der Urheber der Verwirrung, der unnütze Knecht, der sich die Würde eines Gebieters herausnahm, von den Engeln zur Strafe fortgeschleppt wird, und über alle Diener und Gehilfen seiner Bosheit werden die verdienten Strafen und Züchtigungen verhängt werden. Einer aber wird als König und Richter erscheinen, und als gemeinsamer Herr von Allen erkannt werden, und es wird Ruhe herrschen, wie wenn der Herold, da der Richter zu Gericht sitzt, Schweigen gebietet, die Menschen aber voll Spannung mit Augen und Ohren auf die Worte des Redners merken. Deßhalb preiset den Herrn, alle Geschlechter, lobet ihn, alle Völker, preiset ihn wegen seiner Macht, lobet ihn wegen seiner Menschenfreundlichkeit, weil er die Gefallenen und Todten wieder lebendig gemacht und das abgenützte Gefäß wieder erneuert, die eckelhaften Überreste in den Gräbern in menschenfreundlicher Weise in ein unvergängliches Wesen umgestaltet und die Seele, die vor viertausend Jahren den Körper verließ, wie nach langer Abwesenheit in die ihr zugehörige Wohnung zurückgeführt hat, die nicht in Folge von Zeit und Vergessenheit dem ihr zugehörigen Organismus S. 347 entfremdet war, sondern rascher ihm nahte, als der Vogel in sein Nest fliegt.