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Schrecklich ertönt die Trompete des Ausspruches des Apostels, die sowohl vieles Andere dem Heere der Gottseligkeit verkündet, als vorzugsweise aus dem Abgrund der Schande zu ziehen sucht und am Schluß einen militärischen Befehl beifügt. Er sagt nämlich: „Fliehet die Unzucht! Jede Sünde, die der Mensch thut, ist ausser dem Leibe.“ Auch die Soldaten der sinnlich wahrnehmbaren Kriege gehen jetzt gerade auf den Feind los und ergreifen dann die Flucht und führen so ihre Operationen aus. Ebenso gibt es einen Krieg der Seele, der durch Widerstand und Flucht seine Operationen macht. Das weiß Paulus, welcher das Heer zur doppelten Kriegskunst der Gottseligkeit anleitet, indem er jetzt zur Ausdauer in der Schlacht ermahnt. „Haltet fest und umgürtet eure Lenden mit S. 246 Wahrheit!“2 dann wieder räth, durch die Flucht im Kriege zu operiren: „Fliehet die Unzucht!“3 Wenn ein Krieg des Unglaubens uns überfällt, so bringt es Nutzen, sich zur Wehr zu setzen. Droht uns aber ein hinterlistiger Überfall, so geziemt sich gegen diese Feinde ein Hinterhalt. Wird dann das Geschoß der Verleumdung gegen uns geschleudert, so ist es nützlich, gerade auf die Lüge los zu gehen. Zielt aber die Gestalt einer Buhlerin auf uns, so bringt es Gewinn, ihr den Rücken zu kehren und mit abgewendetem Gesichte zu fliehen. Denn die Unzucht richtet ihre Geschoße nach den Augen. Deßhalb muß man an die Mahnung des Feldherrn denken: „Fliehet die Unzucht!“ Denn sie ist furchtbarer als die übrigen Laster. Die andern bösartigen Sünden nämlich scheinen das Fleisch der Sünder zu schonen und beschränken die That auf Den, der von ihr betroffen wird. So trifft bei einem Raube der Nachtheil nur die Beraubten, bei dem Laster des Neides kommt die Leidenschaft nur gegen die Beneideten zum Ausbruch, bei den Verleumdungen, wenn sie Glauben finden, trifft wiederum die Gefahr den Verleumdeten allein, bei den Mördern trifft der Unfall den Gemordeten, und wenn man jede Ausübung der ungerechten Werke durchgeht, so wird man finden, daß, die Unrecht zufügen, den Gewinn haben, den Schaden aber, die Unrecht leiden. Die Unzucht kennt aber keine solche Unterscheidung und sondert nicht aus zwischen dem Zustand Dessen, der Etwas erleidet, und Dessen, der Etwas thut, sondern stürzt Beide zugleich in Schaden und verbindet mit gemeinsamer Fessel der Befleckung den Unzüchtigen und die Unzüchtige, und der Schänder des Leiber wird mit dem geschändeten Leibe zugleich selbst geschändet. Es ist möglich, daß die Mörder, indem sie tödten, nicht zugleich mit den Gemordeten sterben. Der aber das Fleisch befleckt, nimmt zugleich an der Befleckung Theil.
