2.
Auf diese, die in einem irdischen Kriege stehen, richte deinen Blick, an ihnen nimm dir ein Beispiel, wie S. 190 du dem Bösen im Kampfe begegnen mußt! [90] Ich weise dich auch noch darauf hin, welche Ruhe im Kriege herrscht und welch tiefes Stillschweigen, ein Zeichen der größten Klugheit, bei den Soldaten ununterbrochen andauert. Wenn sie antreten, um den Kampf zu beginnen, hört man keinen Laut, kein Geräusch, sondern wie Schlangen schleichen viele Tausende von Soldaten dahin. Wenn sie beritten sind, haben sie den Zaum des Stillschweigens an, und die Männer tragen das Siegel der Ruhe an sich. [100] Sie machen keinen Lärm, damit sie nicht bemerkt werden, bis sie das feindliche Lager überfallen haben, ja die Krieger hören sogar alle Schmähreden von Kameraden geduldig an. Der eine hört sie an und kümmert sich nicht darum, hat aber dann dafür Erfolg, ein anderer dagegen schreit laut auf und muß dann dafür büßen. Der eine, der wie ein Held zu reden beginnt, hört auf einen kleinen Wink hin auf, ein anderer, der wie ein Starker zu schreien sich anschickt, wird von seinem Lärmen abgebracht. [110] Wieder ein anderer beißt sich in die Lippen, unterdrückt die Antwort und erträgt geduldig alle bösen Bemerkungen; denn wer die Unbilden des Krieges willig erträgt, wird als tüchtiger Mann gekrönt. Es gibt Soldaten, welche das Gerede anhören und dazu schweigen, weil sie den Blick auf den Erfolg gerichtet haben; sie lassen sich weder durch Schmähungen verwirren noch durch Gespötte aus der Fassung bringen: sie verachten das Gezeter der Feinde, darum werden sie im Kampfe gekrönt, werden. [120] Einen solchen Sinn muß derjenige haben, welcher in den Kampf ziehen will; der Unglückliche aber, der diese Dinge nicht ertragen kann, wird in Bälde besiegt sein. Wenn dir jedes Wort, das dir zu Ohren dringt, Furcht und Angst verursacht, bist du wie ein geknicktes Rohr, das von jedem Windstoß hin und her getrieben wird. Im Kriege hört keiner von seinem Nachbar ein friedliches Wort, [130] sondern es werden nur heftige und gestrenge Antworten gegeben. Wer derartiges in Geduld erträgt, wisse, daß er siegen wird, wer sich aber dessen weigert, dem werden diese Worte zur Niederlage.
Im Kriege wird auch die Wachsamkeit geübt, eben- S. 191 so das Fasten und die Enthaltsamkeit. Auch diese Tugenden will ich dir entwickeln, damit du dich nicht abschrecken läßt von deiner Arbeit. [140] In den Krieg seid ihr ausgezogen, Brüder, zum Kampfe seid ihr angetreten, Männer! Suchet darum in der Wüste nicht die Annehmlichkeiten der Stadt! Im Kriege gibt es keine Ergötzlichkeiten, sondern Schrecken und Furcht herrschen dort. Jeder bleibt in seinen Kleidern und es gibt da keinen Unbewaffneten. Dort gibt es keinen Wein und kein Öl, überhaupt kein Besitztum und keine Häuser. [150] Die Rüstung wird nie abgelegt aus Furcht vor den Feinden. Die Speise der Krieger bildet schwarzes Brot und geschmackloses Wasser. Der Schlaf ist weit entfernt von ihnen und naht sich ihren Augenlidern nicht. Sie schlafen nicht aus Furcht und ruhen nicht aus Angst. Die Tapferen, die in den Krieg ziehen, führen kein Wohlleben wie im Frieden; [160] sie trinken weder Wein noch andere geistige Getränke, damit sie nicht zu sehr vom Durste gequält werden. Sie essen kein Fleisch, damit ihnen die Rüstung nicht zu schwer werde, sie essen überhaupt nicht viel, damit sie nicht so sehr unter dem Durste zu leiden haben; auch trinken sie nicht soviel, als sie wünschen, damit sie auf dem Marsche nicht erliegen. Wenn aber der Kampf zu Ende und die Macht der Feinde zu Boden geworfen ist, [170] dann geben sie sich der Ruhe, der Freude und der Erholung hin. Wenn also jene erkennen und einsehen, daß man im Kriege ein Leben voll Selbstverleugnung führen muß, um wie viel mehr muß dann der innere Krieg mit Fasten und Nachtwachen geführt werden! Eine solche Selbstbeherrschung streben aber meist nur tüchtige Kämpfer an; die feigen, dem Wohlleben ergebenen, die schläfrigen, [180] stumpfsinnigen und trägen fliehen davor. Die vorsichtigen und entschlossenen aber unter ihnen richten ihre Lebensweise entsprechend ein, indem sie aus Rücksicht auf zeitliche Ehren sich von allem enthalten. So lange sie im Kriege sind, legen sie weder den Gürtel ab noch lockern sie die Schuhriemen an ihren Füßen. [190] Sie sind immer in Bereitschaft und, sobald das Horn ruft, sind sie schon an Ort und Stelle. Sie warten immer auf den Augenblick des Kampfes und, sobald das S. 192 Zeichen ertönt, bringen sie die Rüstung in Ordnung, ziehen das Schwert aus der Scheide, den Bogen aus seinem Behälter und öffnen den Verschluß des Köchers, damit ihnen nachher nichts mehr hinderlich sei. Wenn sie bei Tisch sind und sich ein Fremder herumtreibt, [200] dann heben sie sofort die Mahlzeit auf, bis der Ruhestörer zur Ruhe gebracht ist. Wenn nur ein Vogel vorbei fliegt, entsteht schon Lärm und Geschrei, wenn nur der Wind das Gras bewegt, ertönt schon Trompetenschall. So sind die irdischen Soldaten beständig in Bereitschaft und erfüllen ihre Pflicht mitten unter diesen Unannehmlichkeiten. [210] Der König hat seine Freude an tapferen Männern, Gott aber an schwachen, der König liebt die schnellen, Gott aber die bedächtigen; der König verlangt den Bogen, Gott dagegen Psalmen, der König erfreut sich an Geschossen, Gott an Gebeten, der König triumphiert mit Hilfe der Kräftigen, Gott aber in den Kranken, [220] der König stellt Elefanten1 auf, Gott aber Tempel des Hl. Geistes, der König läßt seine Leute auf den schnellen Rossen dahinfliegen, Gott dagegen auf den Wolken des Himmels, der König krönt den Kämpfer nur mit einer irdischen Krone, Gott bekleidet den Sieger mit der ewigen Glorie.
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Wörtlich: Türme aus Fleisch. ↩