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Der Beginn unseres Fastens möge wie lieblich duftender Weihrauch zu Gott emporsteigen, damit nicht der Hauch des Mordes in unserem den Feinden zur Beute gewordenen Lande wehe! Unsere ganze Heerschar möge Gebete darbringen, um Gott zu versöhnen, damit uns durch seine Gnade ein Jahr voll Segen zu- S. 228 teil werde! Unsere ganze Gemeinde möge sich des vergebungsvollen Fastens befleißigen, [10] damit das ganze Jahr durch Frieden, reiche Ernte und Gesundheit gesegnet werde! Laßt uns in der Fastenzeit reichlich Vergebung gewähren, damit uns im Sommer Heil verliehen werde! Laßt uns in der Fastenzeit die Bedrängten unterstützen, damit sich unsere Drangsale nicht mehren! Laßt uns die Wochen der Fastenzeit heilig beobachten, damit die Monate des Jahres gesegnet werden! In der Fastenzeit erfüllet euere Gelübde, damit der Sommer seine Früchte in Fülle hervorbringe! [20] In der Fastenzeit laßt uns Almosen aussäen, damit wir volle Tenne und Kelter erlangen! In der Fastenzeit laßt uns Barmherzigkeit erweisen, damit wir das Neue zum Alten hinzuerhalten! In der Fastenzeit laßt uns die Zinsen austilgen, damit wir nicht aus unserem Lande ausgetilgt werden! In der Fastenzeit laßt uns unsere Schuldscheine vernichten, damit unsere Äcker nicht vernichtet werden! In der Fastenzeit wollen wir uns gegenseitig unsere Schulden erlassen, damit wir nicht unser Land verlassen und auswandern müssen! [30] In der Fastenzeit wollen wir den Schuldbrief zerreißen, damit wir nicht von den Räubern auseinander gerissen werden! In der Fastenzeit laßt uns die Gefangenen freilassen, die wir durch Tinte gefangen halten! In der Fastenzeit laßt uns den Eingeschlossenen auftun, welche wir durch Schuldverschreibungen eingeschlossen halten! In der Fastenzeit laßt uns die Toten auferwecken, die wir durch Wucher ins Grab gestürzt haben! In der Fastenzeit laßt uns den Armen das Leben wieder geben, das wir ihnen durch die Zinsen genommen haben! [40]
Lasset uns nicht fasten wie jene Gottlosen, welche fasten und dabei die Leiber ihrer Mitmenschen fressen! Ahmen wir nicht den Juden nach, welche bei ihrem Fasten mordeten, wenn man das überhaupt ein Fasten nennen kann, was jene Lügner tun, deren Fasten und Gebet Gott so sehr verabscheut. Sie fasten und verzehren Zinsen, sie beten und schlürfen Wucher ein. [50] Sie fasten von einem Abend bis zum andern und fressen dabei das Fleisch der Armen. Deinen Bruder hast du durch Tinte in Fesseln geschlagen; warum kleidest du S. 229 dich in Bußgewänder? Durch Schuldbücher hast du seinen Rücken gekrümmt; warum krümmst du deinen Nacken im Gebet? Durch Wucher hast du sein Angesicht entfärbt; warum ist dein Antlitz durch Fasten entstellt? Durch Zinsen hast du gleichsam sein Fleisch gegessen; warum issest du nun Staub wie die Schlange? [60] Durch Verschreibungen haben wir unsere Mitmenschen gefesselt; wie werden wir also den Fesseln entgehen können? Durch Schuldbriefe haben wir ihren Leib dem Grabe überantwortet; wie können also unsere Leiber eine ehrenvolle Bestattung erwarten? Der Wucher hat die Armen verzehrt; wie werden wir also der Verzehrung durch das Schwert entrinnen? Die Zinsen haben die Freien in die Knechtschaft verkauft; wie werden wir uns also der Sklaverei entziehen können?
Durch das Fasten wollen wir einen Zehnten entrichten, damit uns nicht die Fremdlinge verzehnten! [70] Durch das Fasten wollen wir die Unterdrückten befreien, damit uns nicht die Händler aufkaufen! Durch das Fasten wollen wir die Hungrigen sättigen, damit sich die Vögel nicht an uns sättigen! Durch das Fasten wollen wir die Dürstenden tränken, damit die Erde nicht unser Blut trinke! Durch das Fasten laßt uns die Nackten bekleiden, damit uns nicht die Vögel entblößen! Durch das Fasten laßt uns die Armen bestatten, damit uns nicht die Fremdlinge einschließen! [80] Die Waisen mögen bei uns eine Wohnstätte finden, damit wir alle innerhalb unserer Grenzen wohnen bleiben! Die Witwen mögen unter uns wohnen, damit wir nicht in der Fremde zu Hörigen werden! Lasset uns nicht die Gerechtigkeit überschreiten, damit wir nicht aus unserem Lande in ein fremdes hinüberschreiten müssen! Lasset uns nicht von der Gnade abweichen, damit wir nicht von der Gerechtigkeit verurteilt werden! Lasset uns niemand im Frieden gefangen nehmen, damit wir nicht uns selbst in die Wüste gefangen abgeführt sehen müssen! [90] Niemand führe einen anderen gewalttätig hinweg, damit kein feindliches Heer sich in unserem Lande Gewalttätigkeiten erlaube! Lasset uns das Brot der Demütigung verzehren, damit nicht uns das Schwert verzehre! Lasset uns im Gebet Tränen vergießen, damit unser S. 230 Blut nicht in unserem Lande vergossen werde! Hüllen wir uns in Bußgewänder, damit sich die Farbe unseres Angesichtes nicht verfinstere! Kleiden wir uns in Trauer und Verdemütigung, damit wir uns nicht bei unserer Abführung in die Gefangenschaft mit einem Trauergewand bekleiden müssen! [100]