16. Christi Lehren von der Geduld, Wahrhaftigkeit und werktätigen Frömmigkeit.
Über die Pflicht, geduldig, gegen alle dienstfertig und sanftmütig zu sein, spricht er sich also aus: „Wer dich auf die Wange schlägt, dem biete auch die andere dar, und wer dir den Rock oder den Mantel nimmt, dem wehre es nicht1. Wer zürnt, der ist des Feuers schuldig2. Mit jedem, der dich zu einer Meile nötigt, gehe zwei mit3. Es sollen leuchten eure guten Werke vor den Menschen, damit diese sie sehen und euren Vater im Himmel bewundern“4. Wir dürfen also nicht Widerstand leisten, und er hat keineswegs gewollt, daß wir es den Bösen nachtun, er hat uns vielmehr ermahnt, durch Geduld und Sanftmut alle von der Schande und von der Lust am Schlechten abzubringen. Das können wir auch an vielen, die früher bei euch waren, nachweisen: sie haben ihr gewalttätiges und herrisches Wesen abgelegt, überwunden entweder durch den Anblick des geduldigen Lebens ihrer Nachbarn oder durch S. 82 Beachtung der außerordentlichen Sanftmut übervorteilter Reisegenossen oder dadurch, daß sie diese an solchen erprobten, mit denen sie Geschäfte machten.
Daß wir ferner in keinem Falle schwören, aber immer die Wahrheit sagen sollen, dazu hat er uns mit diesen Worten aufgefordert: „Schwöret gar nicht; es sei aber euer Ja ein Ja und euer Nein ein Nein; was darüber ist, das ist vom Bösen“5. Daß man ferner Gott allein anbeten soll, hat er mit folgenden Worten vorgeschrieben: „Das höchste Gebot ist: Den Herrn deinen Gott sollst du anbeten und ihm allein dienen aus deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Kraft6, Gott den Herrn, der dich erschaffen hat“. Und als einer zu ihm hintrat und ihn „guter Meister“ anredete, erwiderte er: „Niemand ist gut, als Gott allein7, der alles erschaffen hat“.
Die nun, deren Lebenswandel nicht so befunden wird, wie er gelehrt hat, sollen nicht als Christen angesehen werden, auch wenn sie mit der Zunge die Lehre Christi bekennen; denn er hat gesagt, daß nicht die, welche bloß sprechen, sondern die, welche auch die Werke vollbringen, zur Seligkeit gelangen werden, Er sprach nämlich also: „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr wird in das Himmelreich eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist8. S. 83 Denn wer mich hört und tut, was ich sage, hört auf den, der mich gesandt hat. Viele werden zu mir sagen: Haben wir nicht in deinem Namen gegessen und getrunken9 und Wunder gewirkt? Und dann werde ich zu ihnen sprechen: Weichet von mir, ihr Übeltäter10. Dann wird Heulen und Zähneknirschen sein, wenn die Gerechten leuchten wie die Sonne, die Ungerechten aber ins ewige Feuer gewiesen werden11. Denn viele werden kommen in meinem Namen, die äußerlich in Schafspelze gekleidet, innerlich aber reißende Wölfe sind; an ihren Werken werdet ihr sie erkennen. Jeder Baum aber, der nicht gute Früchte bringt, wird ausgehauen und ins Feuer geworfen“12. Daß aber solche, die nicht seinen Lehren entsprechend leben und nur Christen heißen, gestraft werden, das verlangen wir auch von euch.
Luk. 6,29. ↩
Matth. 5,22. ↩
Matth. 5,41. ↩
Matth. 6,16. ↩
Justin versteht die Worte Christi bei Matth. 5,34 als strenges Verbot jeglichen Schwures. Das tun auch andere Väter, z.B. Chrysostomus (in Genesim hom. 15,5 bei Montf. IV 122c: (τοὺς ὅρκους δὲ παντελῶς φευγέτω, ἀκούων τῆς ἀποφάσεως τοῦ Χριστοῦ τῆς λεγούσης, ὅτι Ἐῤῥήθη τοῖς ἀρχαίοις, Οὐκ ἐπιορκήσεις· ἐγὼ δὲ λέγω ὑμῖν, 13 μὴ ὀμόσαι ὅλως. Μὴ τοίνυν μοι λέγε, ὅτι Ἐπὶ δικαίῳ ὄμνυμι· οὐκ ἔξεστι γὰρ οὔτε ἐπὶ δικαίῳ, οὔτε ἐπὶ ἀδίκῳ ὀμνύναι.) ; außerdem an vielen andren Stellen seiner Säulenreden) und Basilisu, der sagt (in ps. 14 hom. 1,5, bei Migne gr. 29,260b), im Alten Bunde sei der Schwur erlaubt gewesen, im Neuen aber sei er gänzlich verboten, damit die Gelegenheit zum Falschschwören beseitigt werde. Vgl. Stäudlin, Geschichte der Vorstellungen und Lehren vom Eide, Göttingen 1824, und Göpfert, Der Eid, Mainz 1883. ↩
Mark. 12,30; Luk. 10,27. ↩
Matth. 19,17; Mark: 10,17 f. ↩
Matth. 7,21. ↩
Luk. 13,26. ↩
Matth. 7,22 f. ↩
Matth. 13,42 f. ↩
Matth. 7,15 ff. ↩
