35. Weissagungen über das öffentliche Leben und den Tod Jesu.
S. 102 Daß aber Christus von seiner Geburt bis zu seinem Mannesalter der übrigen Welt unbekannt bleiben sollte, wie er es auch geblieben ist, auch darüber höret eine Weissagung. Sie lautet: „Ein Kindlein ist uns geboren und ein Jüngling ist uns geschenkt, dessen Herrschaft ruht auf seinen Schultern“1, eine Andeutung der Macht des Kreuzes, an das er angenagelt seine Schultern legte, wie im Verlaufe der Erzählung noch deutlicher wird gezeigt werden. Und wiederum hat derselbe Prophet Isaias unter Eingebung des prophetischen Geistes gesagt: „Ich streckte meine Hände aus nach einem ungehorsamen und widersprechenden Volke, nach Leuten, die nicht auf gutem Wege wandeln; jetzt fordern sie von mir Recht und wagen es, Gott zu nahen“2. Und wiederum sagt er an anderer Stelle durch einen andern Propheten: „Sie haben meine Füße und Hände durchbohrt und über mein Gewand das Los geworfen“3. Nun hat der König und Prophet David, der da gesprochen hat, nichts von all dem gelitten, wohl aber hat Jesus Christus seine Hände ausbreiten müssen, als er von den Juden gekreuzigt wurde, die ihm widersprachen und behaupteten, er sei nicht Christus; denn sie haben, wie der Prophet es gesagt hat, ihn höhnend auf einen erhöhten Sitz gesetzt und gesagt: Richte uns!4 Die Worte aber: „Sie haben meine Hände und Füße durchbohrt“ deuten auf die Nägel hin, die ihm am Kreuze durch Hände und Füße getrieben wurden. Und nachdem sie ihn gekreuzigt hatten, warfen die, welche ihn gekreuzigt hatten, über seine Kleidung das Los und teilten sie untereinander. Daß das so geschehen ist, könnt ihr aus S. 103 den unter Pontius Pilatus angefertigten Akten ersehen5. Dafür aber, daß ausdrücklich sein Ritt auf einem Eselsfüllen und sein Einzug in Jerusalem vorhergesagt wurden, wollen wir die Weissagungsworte eines andern Propheten, des Sophonias6, anführen; sie lauten also: „Freu dich sehr, Tochter Sion, künde es laut, Tochter Jerusalem. Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig, sitzend auf einem Esel und auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttieres.“
Is. 9,6. ↩
Ebd. 65,2; 58,2. ↩
Ps. 21,17.19. ↩
Das steht in den kanonischen Evangelien nicht, wohl aber in dem apokryphen Petrusevangelium, wo es heißt (Rauschen, Florilegium patr. 3,49): „Sie legten ihm einen Purpurmantel um, setzten ihn auf einen Richterstuhl und sprachen: Richte gerecht, König Israels!“ ↩
Auch Tertullian teilt mit (ap. c. 5 und 21), Pilatus habe über den Tod Jesu an Kaiser Tiberias genauen Bericht erstattet. Aber sicherlich hat weder er noch Justin diese Akten in Rom eingesehen; ihre Angaben haben aber in späterer Zeit Anlaß gegeben zur Abfassung der uns erhaltenen „Acta Pilati“. ↩
Vielmehr Zacharias (9,9). ↩
