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Werke Tatian (120-173) Oratio ad Graecos Rede an die Bekenner des Griechentums (BKV)

9.

(1) Wesen solcher Art sind die Dämonen; sie haben, wie gesagt, das Fatum auf einer Tafel fixiert, für deren Feder ihnen das Tierreich die Zeichen liefern mußte1. Denn was auf Erden kreucht und in den Gewässern schwimmt und im Gebirge auf vier Füssen läuft2, alles, womit sie S. 208 verkehrten, seitdem sie aus dem Leben im Himmel verstoßen waren, das würdigten sie der himmlischen Ehre, um glauben zu machen, daß sie selbst noch im Himmel lebten, und um zu zeigen, daß in das unvernünftige Leben auf Erden durch die Konstellation Vernunft gebracht werde. (2) So erhielten der Zornmütige und der Geduldige, der Enthaltsame und der Unmäßige, der Reiche und der Arme ihre Eigenschaften von den Dämonen, die ihre Geburt bestimmten3. (3) Denn die Konfiguration des Tierkreises ist ein Machwerk der (Zodiakal-) Götter; einer von ihnen gelangt, wie man behauptet, jeweilig mit seinem Licht zur Obmacht und übertrumpft dann die anderen, doch wer von ihnen heute unterliegt, kommt immer wieder nächstens zur Herrschaft: ihren Spaß aber haben mit ihnen die sieben Planeten (Irrsterne) wie Brettspieler mit ihren Figuren4. (4) Wir aber sind über das Fatum erhaben und kennen statt der irrenden Dämonen nur den einen, nicht irrenden Herrn: darum haben wir, frei von der Herrschaft des Fatums, diejenigen verworfen, die es zum Gesetze gemacht haben. (5) Sage mir doch um Gotteswillen: Triptolemos hat also das Getreide gesät und nach der Trauer wird Demeter Wohltäterin der Athener5? Warum hat sie sich denn nicht schon vor S. 209 dem Verlust ihrer Tochter als Wohltäterin der Menschen betätigt? (6) Der Hund der Erigone und der Skorpion, der Gehilfe der Artemis, und der Kentaur Chiron, die halbe Argo und die Bärin der Kallisto werden am Himmel gezeigt: ja hat denn, bevor diese Gesellschaft an die erwähnten Plätze kam, der Himmel des Schmuckes entbehrt? (7) Wer wird es nicht lächerlich finden, daß die Figur des dreieckigen Delta (Δ) nach einigen wegen der Küstengestalt Siziliens, nach anderen wegen des ersten Buchstabens im Namen des Dis (Zeus) unter die Gestirne versetzt worden sei? Warum sind denn nicht auch die Inseln Sardinien und Zypern gewürdigt worden, am Himmel zu prangen? Warum hat man denn nicht auch die Monogramme6 der Brüder des Zeus, die sich mit ihm in die Herrschaft teilten, am Himmel fixiert? (8) Wie kann man den gefesselten, vom Throne gestoßenen Kronos als Verwalter des Fatums hinstellen? Wie will er, ohne selbst mehr zu herrschen, doch noch Reiche vergeben? (9) Laßt also doch diese Albernheiten fallen und frevelt nicht aus ungerechtem Hasse gegen uns!


  1. *freie Übersetzung einer schwierigen Stelle, die ich anders als Harnack, Schwartz, Puech und einfacher als Diels, Elementum S. 54 f. verstehe: στοιχείωσις δὲ αὐτοῖς ἡ ζώωσις ἦν, „das Tierreich diente den Dämonen zur Bezeichnung der Sternbilder“ (vgl. Diels a. O. S. 44; Maaß, Tagesgötter S. 126), d.h. die Tiere (krebs, Löwe, Skorpion usw.) dienten ihnen auf dem Spielbrett des Zodiakus (vgl. Kap. VIII 1) zur differenzierenden Kennzeichnung der zwölf Felder (s. unten zu § 3). ↩

  2. Vgl. Clem. strom. VI 5,39 sq. (Preuschen, Antilegomena S. 52). ↩

  3. *Vgl. Kap. VIII 2 und des Dio von Prusa Gespräch über den „Dämon“ (XXV) § 1: „Ich halte den Dämon für die alle Menschen beherrschende Macht, nach deren Willen jedermann, sei er frei oder Sklave, reich oder arm, König oder Privatmann, sein Leben führt und sein ganzes Handeln einrichtet“; vgl. zu Kap. XXX 2. ↩

  4. *Der Zodiakus ist also mit einer Art von Schachbrett (s. oben zu § 1 und Kap. VIII 1) verglichen, dessen zwölf Felder die bekannten Kalenderzeichen für ♈ Widder, ♉ Stier, ♊ Zwillinge usw. aufzeigen; als Figuren dienen die diesen Feldern entsprechenden zwölf Zodiakalgötter, Spieler aber sind die sieben Planeten (s. TsgA. S. 23 f.). Im schol. Apollon. IV 262 (p. 494 K.) heißen die zwölf Zodiakalgötter θεοὶ βουλαῖοι (“ratgebende Götter”), die sieben Planeten ῥαβδοφόροι (“Szepterträger”), s. Maaß, Tagesgötter S. 20 mit Anm. 44, vgl. ebend. S. 32 ff. und 126 ff.; weitere Literatur bei Roscher, Ausf. Lexik. der griech. und röm. Mythol. S. 2518 ff. ↩

  5. Als Kore die Demeter wiedergefunden hatte, sandte sie den Triptolemos aus, damit er die Menschen den Ackerbau lehre. ↩

  6. Lies: σχηματουργίαι. ↩

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