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1. In dieser Weise nennt man, wie ich meine, ein und dieselbe Drachme, wenn sie dem Schiffer gegeben wird, Fährgeld, wenn dem Zolleinnehmer Zoll, und Miete beim Hausherrn, Lohn beim Lehrer und Anzahlung bei dem Verkäufer. Jede einzelne aber der verschiedenen Erscheinungsformen, sei es der Tugend, sei es der Wahrheit, die alle mit dem gleichen Wort bezeichnet werden, kann nur die gerade ihr eigene Wirkung verursachen.
2. Durch ihre gemeinsame Wirkung aber entsteht das glückselige Leben S. a88 (denn wir wollen doch nicht hinsichtlich der Worte glücklich sein), wenn wir das rechtschaffene Leben als Glückseligkeit bezeichnen und als glückselig den, dessen Seele mit Tugenden geschmückt ist.1
3. Wenn nun die Philosophie auch nur von fernher zum Auffinden der Wahrheit mithilft, indem sie mit verschiedenartigen Versuchen zu der Erkenntnis vorzudringen strebt, die sich nahe mit der bei uns gelehrten Wahrheit2 berührt, so hilft sie doch jedenfalls dem, der sich mit Eifer um die Erfassung der Erkenntnis auf dem Wege folgerichtigen Denkens bemüht.
4. Mag nun auch die griechische Wahrheit den gleichen Namen mit der bei uns gelehrten tragen, so ist sie doch von ihr geschieden durch die bei unserer Wahrheit vorhandene Größe der Erkenntnis, durch die größere Gültigkeit ihrer Beweise, durch ihre göttliche Kraft und durch ähnliche Vorzüge. Denn wir sind „von Gott gelehrt“3 und werden bei dem Sohne Gottes in wahrhaft heiligem Wissen unterrichtet. Infolge davon beeinflussen die beiden Formen der Wahrheit die Seele auch nicht auf die gleiche Weise, sondern mit verschiedener Lehre.