20.
1. Die Seele scheint, wenn sie Schmerz empfindet, von ihm gewissermaßen wegzustreben1 und die Befreiung von dem vorhandenen Schmerz für wertvoll zu halten. In einem solchen Zeitpunkt vernachlässigt sie begreiflicherweise auch das Lernen, da ja auch die anderen Tugenden nicht mehr beachtet werden.
2. Wir sagen aber deshalb doch wohl nicht, daß die Tugend selbst leide; denn die Tugend kann gar nicht krank sein; vielmehr leidet nur der Träger beider, der Tugend und der Krankheit, unter dem, was ihn bedrängt. Und wenn er sich nicht innerlich darüber erhaben fühlen kann, so verliert der, der noch nicht so weit gekommen ist, daß die Selbstbeherrschung bei ihm zum bleibenden Zustand geworden ist, die Haltung; und daß er das Leid nicht ruhig ertragen kann, erweist sich als gleichwertig damit, wie wenn er vor ihm geflohen wäre.
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Vgl. Strom. IV 140,1. ↩