152.
1. So hat der Heiland zugleich mit der Begierde auch den Zorn verboten, der Begierde nach Rache ist. Denn überhaupt ist die leidenschaftliche Anlage des Menschen voll von mannigfacher Begierde; wenn der Mensch aber durch Vergöttlichung zur Leidenschaftslosigkeit gelangt, dann wird er in unbefleckter Weise ein Einziger (ein in sich geschlossenes Wesen)
2. Wie nun diejenigen, die sich auf dem Meere an einen Anker hängen, zwar an dem Anker ziehen, ihn aber nicht zu sich heranziehen, sondern vielmehr sich zu ihm hin, so bewegen sich auch die, welche im gnostischen Leben Gott an sich heranziehen wollen, in Wirklichkeit, ohne es zu merken, selbst auf Gott zu; denn wer Gott dient, der dient sich selbst.1
3. In einem dem geistigen Schauen dienenden Leben sorgt jeder für sich S. b103 dadurch, daß er Gott verehrt, und durch seine eigene vollkommene Läuterung kann er Gott als Heiligen auf heilige Weise schauen; denn die Sittsamkeit, die ja an der Seelenverfassung zu beobachten ist, betrachtet und beschaut ohne Unterlaß sich selbst und wird so, soweit es möglich ist, Gott ähnlich.2
-
Der Vergleich, der sich ähnlich auch bei Dionysios Areopagites, De divin. nom. III 1 (in der „Bibliothek der Kirchenväter“ II. Reihe 2. Band S. 50) findet, geht vielleicht auf Poseidonios zurück; vgl. W. Theiler, Die Vorbereitung des Neuplatonimus, Berlin 1930, S. 146. ↩
-
Vgl. Platon, Theaitetos p. 176 B. ↩