26.
Wir wollen nun sehen, auf welche Weise Celsus, der „alles zu wissen“ ankündigt, die Juden verleumdet, indem er sagt: Sie verehren Engel1 und treiben eifrig Zauberei, worin sie Moses unterwiesen hat„ Celsus erklärt, die Schriften der Christen und Juden zu kennen“; so mag er angeben, an welcher Stelle der Schriften des Moses er gefunden hat, dass der Gesetzgeber „die Verehrung von Engeln“ vorschreibt. Wie kann es aber auch „Zauberei“ bei den Leuten geben, die das Gesetz des Moses angenommen und da auch dies S. 36 gelesen haben: „Den Beschwörern sollt ihr nicht anhangen, um nicht an ihnen verunreinigt zu werden?“2 Celsus verkündet aber, im folgenden lehren zu wollen, „wie auch die Juden infolge ihrer Unwissenheit gänzlich betrogen, dem Irrtum verfallen sind“ . Würde er nun „die Unwissenheit“ der Juden darin finden, dass sie Jesus als Christus nicht erkennen, da sie den Prophezeiungen über ihn nicht Gehör gegeben haben, so hätte er wahrhaft „gelehrt, wie die Juden dem Irrtum verfallen sind“. Nun aber hat er daran gar nicht denken wollen und nimmt deshalb als Irrtümer der Juden an, was keine Irrtümer sind.
Nachdem dann Celsus „eine Darstellung des jüdischen Glaubens für später“ in Aussicht gestellt hat, handelt er zuerst von unserem Heiland als dem Stifter der Gemeinschaft, durch die wir Christen sind, und sagt: „Dieser hat erst vor ganz wenigen Jahren diese Lehre eingeführt und ist von den Christen für den Sohn Gottes gehalten worden“ Was den Punkt betrifft, dass Jesus „erst vor wenigen Jahren“ aufgetreten sei, so wollen wir dies dazu bemerken: Ist es etwa ohne göttliche Hilfe geschehen, dass Jesus, der in so wenigen Jahren sein Wort und seine Lehre auszubreiten sich entschloß, soviel bereits erreicht hat, dass überall auf unserer bewohnten Erde nicht wenige Griechen und Barbaren, Gelehrte und Ungelehrte, zu seiner Lehre bekehrt worden und entschlossen sind, in der Verfolgung eher zu sterben als das Christentum zu verleugnen, was, wie die Geschichte uns zeigt, für eine andere Lehre noch niemand getan hat? Da ich nun nicht meinem Glauben schmeicheln, sondern lediglich versuchen will, die Dinge gründlich zu prüfen, so möchte ich behaupten, dass nicht einmal die Männer, welche viele Kranke heilen wollen, ohne Gottes Hilfe ihr Ziel, nämlich die Gesundheit der Körper, erreichen. Wenn aber einer sogar die Seelen von dem Schmutz der Sünde von Ausschweifungen und ungerechten Taten S. 37 und von der Gleichgültigkeit gegen die Gottheit befreien könnte und als Erweis einer solchen Wirksamkeit die Besserung von hundert Personen - um so viele mag es sich handeln - vorbrächte, könnte da vernünftigerweise auch von diesem jemand sagen, er habe ohne Gottes Hilfe den hundert Menschen eine von so großen Übeln befreiende Lehre mitgeteilt? Wenn man aber bei billiger Betrachtung dieser Tatsachen zugeben wird, dass unter den Menschen nichts Gutes ohne Gottes Hilfe geschehen sei, mit wie viel größerem Rechte wird man dann solches3 zuversichtlich von Jesus sagen können! Man braucht nur das frühere Leben vieler, die sich seiner Lehre zuwandten, mit ihrem späteren Leben zu vergleichen und dabei wahrzunehmen, wie groß die Zügellosigkeit, die Ungerechtigkeit und Habgier eines jeden von diesen gewesen ist, ehe sie nach dem Ausdruck des Celsus und seiner Gesinnungsgenossen „betrogen wurden und eine, wie jene sagen, das menschliche Leben verderbende Lehre annehmen“, und in wie hohem Grade sie mit Annahme der christlichen Lehre sittlicher, ernster und beständiger geworden sind, so dass einige aus Liebe zu einer ganz außerordentlichen Reinheit, und um der Gottheit in reinerer Weise zu dienen, selbst nicht einmal die von dem Gesetz erlaubten Freuden der Liebe genießen wollen.