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S. 112 Der Jude bei Celsus sagt aber weiter: „Leuten, die betrogen werden wollen, hätten auch viele andere von der Art, wie Jesus war, erscheinen können“. Nun, so zeige er uns nicht viele, nicht einige wenige, sondern auch nur einen einzigen „von der Art, wie Jesus war“, der mit einer solchen Macht wie er eine dem Menschengeschlecht in gleichem Grade heilsame Glaubens- und Sittenlehre brachte und die Leute von der Flut der Sünden bekehrte! Wenn er aber sagt, „dies würde den Juden von den Christusgläubigen zum Vorwurf gemacht, dass sie nicht an Jesus als an einen Gott geglaubt hätten“ , so haben wir diesen Punkt bereits oben in unserer Verteidigung besprochen und zugleich gezeigt, in welchem Sinne wir ihn für Gott halten, und inwiefern wir ihn Mensch nennen.1 „Wie sollten wir,“ so fährt er fort, „die wir allen Menschen verkündet hatten, dass von Gott der Richter kommen würde, die Bösen zu bestrafen, ihn nach seiner Ankunft schimpflich behandelt haben?“ Auf diesen ganz einfältigen Satz etwas zu antworten, scheint mir nicht vernünftig zu sein. Es wäre geradeso, wie wenn andere Leute sagten: Wir haben Enthaltsamkeit gelehrt, wie hätten wir also eine Ausschweifung begehen können? oder: Wir drangen auf Gerechtigkeit, wie konnten wir uns der Ungerechtigkeit schuldig machen? Wenn man solche (Widersprüche) bei den Menschen findet, so ging es ja ganz menschlich zu, wenn sie, wie sie selbst erklärten, den Weissagungen der Propheten von dem kommenden Messias Glauben schenkten, dagegen nicht an diesen glaubten, als durch seine Ankunft die Weissagung in Erfüllung gegangen war.
Sollen wir noch einen weiteren Grund angeben, so wollen wir bemerken, dass die Propheten gerade dies verkündigt haben. Jesaja z.B. sagt klar und deutlich: „Mit euren Ohren werdet ihr hören und nicht verstehen, mit euren Augen werdet ihr sehen und nicht erkennen; S. 113 denn das Herz dieses Volkes ist stumpf geworden“ usw.2 Man sage uns, was die Juden nach den Worten des Propheten hören und sehen sollten, ohne das Gehörte zu erkennen und das Gesehene richtig zu verstehen. Es ist doch wohl klar, dass sie Jesus sahen, ohne zu bemerken, wer es war, dass sie ihn hörten, ohne aus seinen Worten die in ihm wohnende Göttlichkeit zu erkennen, die deshalb Gottes Walten für die Juden auf die an ihn Glaubenden aus den Heiden übertrug3. Man kann nun sehen, dass die Juden nach der Menschwerdung Jesu ganz verlassen sind und nichts mehr von dem haben, was ihnen vor alters heilig war, auch kein Anzeichen davon, dass bei ihnen noch irgendeine Art von Göttlichkeit vorhanden sei. Denn sie haben keine Propheten mehr und keine Wunder, während bei den Christen doch Spuren der Wunder in gewissem Umfang noch gefunden werden, ja selbst noch einige „größere“4 geschehen; und will man uns Glauben schenken, so können wir versichern, dass auch wir es gesehen haben. „Warum“, fährt der Jude bei Celsus fort, „hätten wir den schimpflich behandeln sollen, den wir vorausverkündeten? Etwa, damit wir härter gestraft würden als die andern?“ Hierauf kann man bemerken, dass die Juden „härter als die andern“ wegen ihres Unglaubens und all ihrer sonstigen Frevel an Jesus nicht nur bei dem Gericht, an das wir glauben, büßen werden, sondern auch bereits gebüßt haben. Denn wo findet sich außer den Juden ein Volk, das aus seiner eigenen Hauptstadt und von der Stätte vertrieben ist, wo der Gottesdienst nach Vätersitte gefeiert werden konnte? Dies haben sie als das unwürdigste Volk nicht sowohl wegen ihrer vielen andern Sünden erlitten, als wegen des Frevels, den sie an unserm Jesus verübt haben.
