12.
Auch dieß ist noch zu untersuchen, 1 warum die menschliche Seele bald von diesen, bald von jenen Mächten in verschiedenem Sinne angeregt werden. Ich sehe hier ebenfalls Ursachen voraus, die früher sind, als die Einkörperung: wie das Hüpfen des Johannes in Mutterleibe beweist, als Elisabeth auf den Gruß der Maria sich für eine Unterredung mit ihr zu gering erkannte, und wie der Prophet Jeremias bezeugt, welcher (1, 5.) von Gott erkannt war, ehe er ihn im Mutterleib bildete, 2 von ihm geheiligt ehe er sich der Mutter S. 217 Schoos entwand, und als Knabe schon die Gabe der Weisheit empfieng. Auf der andern Seite sind dagegen Einige, als Kinder und Säuglinge von bösen Geistern besessen. Andere werden zur Wahrsagerei begeistert; 3 so soll auch der Dämon Python 4 Einige schon von zarter Kindheit an besitzen. Daß aber diese von der göttlichen Vorsehung mißachtet worden seyen, da sie doch nichts gethan haben, um dessen willen sie zum Wahnsinn verdammt wären, dieß darf derjenige nicht voraussetzen, der Nichts ohne Gott geschehen lassen, sondern Alles nach seinem Urtheil gelenkt wissen will. 5 Um also die Vorsehung von allem Verdacht der Ungerechtigkeit zu befreien, bleibt Nichts übrig, als die Annahme früherer Ursachen, durch welche die Seelen vor ihrer Einkörperung das verschuldet haben, was sie hier nach göttlicher Verurtheilung mit Recht erdulden. Denn freien Willen, besitzt die Seele immerhin, ob sie in oder außer dem Körper sey, und die Willensfreiheit ist immer auf Gutes oder Böses gerichtet. Ohne die eine oder die andere Richtung kann das seelische Wesen in keinem Augenblick bestehen. Nun ist es doch wahrscheinlich, daß diese Richtungen auch schon vor der irdischen Thätigkeit Ursache geworden seyen, warum sie sogleich nach der Geburt, ja vor der Geburt zum Guten oder Bösen von der Vorsehung verurtheilt werden. Soviel über die Erscheinungen des menschlichen Wesens gleich bei der Geburt oder noch vor derselben. Was das betrifft, daß die Seele von verschiedenen Geistern durch Einflüsterungen zum Guten oder Bösen gereizt wird, so sind auch hiefür vorirdische Ursachen anzu- S. 218 zunehmen. 6 Manchmal ist eine Seele wachsam, weist die Bösen zurück und zieht den Beistand der Guten an sich; eine träge dagegen ist unvorsichtiger, gibt den bösen Geistern Raum, welche im Verborgenen lauern, wo sie etwa in einer unbewachten Stunde die menschliche Seele überfallen mögen, wie der Apostel Petrus (I, 5, 2,) sagt: unser Widersacher, der Teufel geht umher, wie ein brüllender Löwe und sucht, welchen er verschlinge. Daher haben wir auch Tag und Nacht zu wachen, daß wir dem Teufel nicht Raum geben, und müssen suchen, die Diener Gottes, die zur Unterstützung der zum Heile Berufenen ausgesandt sind, zu gewinnen (Hebr. 1, 14.) damit sie gern in unser Inneres einziehen, Wohnung bei uns machen, und uns in ihrem Sinne leiten, wofern sie die Wohnung unsers Herzens von dem Dienste der Tugend und der Heiligkeit geschmückt finden. 7
-
Sed et hoc requirendum etc. So führt Hier. ad Av. diese Stelle an, übereinstimmend mit Rufin fast in den Worten. Rue sagt in Beziehung auf das Fragment bei Hier.: quod revera hoc loco dixisse Originem, fidem facit Rufeni interpretatio. Die richtige Ansicht von dem Verhältniß beider Personen. ↩
-
Rufin hat „antequam plasmaretur“, hie LXX. aller Codd. προ τουμε πλασαι σε. Also ist jenes Wohl ein Uebersetzungsfehler, Hieron. hat dieses Citat übergangen, weil es ihm um die Ansicht des Orig. nicht um deren biblischen Beweis zu thun war. ↩
-
et in divinos atque hariolos (was hier gleichbedeutend ist, θεομαντεις, ιερεις) inspirantur, II., alios vero a pueris divinasse historiarum fides declarat, Ruf., von dem ich das alios, im Gegensatz zu den Besessenen überhaupt, aufnehme. ↩
-
daemon Pythonicus, II. quem Pythonem nominant, i. e. ventricolum, Ruf. ventricorsum, bei Genebrard, ventriloquum, Rue. Jedenfalls ist der Zusatz vom Uebersetzer, und Hinweisung auf die Schlange Pytho. Daher vielleicht ventricolam. ↩
-
Soweit Hier. Rufin ist kürzer, schwärzt aber ein sicut scripturae sanctae asserunt, nostra quoque fides continet ein, das gar nicht in die Deduction des Orig. paßt. ↩
-
Rufin übersetzt so wörtlich, daß die Uebers. ohne Rückübersetzung unverständlich ist. De his quae suggeruntur, interdum etiam in hoc existere anteriores nativitatis corporeae causae putandae sunt, d. h. Α δε — και εν τουτω ποτε — προτεραι της ενσωματωσεως αιτιαι. Zwar lesen mehrere Ms. anterioris, was aber wohl nur Verbesserung ist. Der Sinn bleibt übrigens derselbe, ob ich lese: προτεραι (προ) της, d. h. η η ενσωμ. oder: προτερας ενσωματωσεως; nur sagt Or. nicht gerade, daß die Seele in ihrem vorirdischen Daseyn auch „eingekörpert“ sey. ↩
-
Wenn nicht die so oft wiederkehrende Verwahrung der freien sittlichen Thätigkeit gegenüber von fremder Einwirkung in diesen Worten läge, so möchte ich den Schluß für rufinische Nutzanwendung halten. ↩