46. Jeder soll zufrieden sein mit der Stelle, welche er in der Kirche einnimmt, und die Ordnung Christi nicht stören; kein Kleriker aber soll ein höheres Amt in der Kirche sich anmassen.
Dieß aber verordnen wir alle gemeinschaftlich, daß Jeder in dem ihm gegebenen Range verbleibe und die Grenzen nicht überschreite: denn diese sind nicht unser, sondern Gottes. „Denn wer euch höret,” sagt der Herr, „der höret mich, und wer mich höret, der höret den, der mich gesandt hat, und wer euch verachtet, der verachtet mich; wer aber mich verachtet, der verachtet den, der mich gesandt hat.”1 Denn wenn die leblose Schöpfung schöne Ordnung einhält, wie Nacht, Tag, Sonne, Mond, Sterne, Elemente, Jahreszeiten, Monate, Wochen, Tage, Stunden, und ihrem bestimmten Zwecke dient nach jenem Worte: „Eine Grenze hast du gesetzt, die sie nicht überschreiten werden;”2 und wiederum bezüglich des Meeres: „Schranken setzte ich ihm, und ringsum brachte ich Riegel und Thore an; ich sprach aber zu ihm: Bis hieher sollst du kommen und nicht weiter gehen:”3 um wie viel mehr sollet ihr es nicht wagen, Etwas von Dem zu beseitigen, was nach Gottes Willen für euch durch uns angeordnet wurde? Aber weil Viele Dieß für etwas Unnöthiges halten, wagen sie es sogar, die Rangordnungen zu verwirren und die einem Jeden gewordene Weihe bei Seite zu setzen, Würden an sich zu reissen, die ihnen nicht gegeben wurden, und herrschsüchtig sich selbst das zu erlauben, was zu geben sie keine Macht haben; und deßwegen reizen sie erstlich Gott zum Zorne, wie die Koriten4 und der König Ozias,5 welche über ihre Würde und ohne Gott sich das Pontifikat anmaßten, und von denen Jene eine Speise des Feuers, Dieser aber vom Aussatz geschlagen worden; dann beleidigen sie Jesum S. 310 Christum, welcher es so angeordnet hat, und endlich betrüben sie den hl. Geist, indem sie sein Zeugniß abschwächen: deßwegen mit Recht voraussehend die Gefahr, welche Denjenigen droht, die Dieses thun, und die Lässigkeit bei den Opfern und Danksagungen, weil sie gottlos von Denjenigen dargebracht werden, welche es nicht thun sollen, und welche die hohepriesterliche Ehre, bestehend in der Nachfolge des großen Hohenpriesters Jesu Christi, unseres Königs, für ein Spiel halten: deßwegen, sag' ich, war es nothwendig, sie darüber zu ermahnen: denn Manche, schon bekehrt, sind wieder zur Eitelkeit zurückgekehrt.6 Daher reden wir wie Moses, der Diener Gottes,7 mit welchem Gott von Angesicht zu Angesicht redete, wie Jemand mit seinem Freunde redet, zu welchem er sprach: „Ich kenne dich vor Allen;”8 mit welchem er von Mund zu Mund redete, und nicht in dunkeln Worten oder im Traume, oder durch Engel, oder durch geheimnißvolle Bilder: dieser Moses, da er die göttliche Konstitution gab, unterschied, was zu geschehen habe von Hohenpriestern, was von Priestern, was von Leviten, und theilte einem Jeglichen zu den eigenthümlichen Gottesdienst, wie er seinem Amte zukam. Und das, was die Hohenpriester zu vollziehen hatten, war den Priestern nicht erlaubt, und das, was für die Priester bestimmt war, nicht den Leviten, sondern die Einzelnen hatten die wohlumschriebenen Dienstleistungen, welche ihnen übertragen, zu beachten: wenn aber Jemand wagte, über das ihm übertragene Amt hinauszugehen, so büßte er es mit der Todesstrafe.9 Dieß hat er aber vorzüglich dadurch gezeigt, was dem Saul geschehen,10 welcher, da er glaubte, er könne ohne den Propheten und Hohenpriester Samuel opfern, sich eine Sünde und einen unabwendbaren Fluch zugezogen: und es hat den Propheten das nicht umgestimmt, daß von ihm Saul zum König war gesalbt worden. Noch durch S. 311 ein glänzenderes Werk hat Gott Dieses gezeigt durch das, was dem Ozias geschehen,11 ob dessen Freveltat er sofort ohne Verzug die Strafe vollzogen, und der, welcher gegen das Hohepriesteramt frevelte, ward seines Reiches entsetzt. Übrigens ist euch das, was unter uns geschehen, nicht unbekannt. Denn ihr wisset ganz wohl, daß Bischöfe, Priester und Diakonen von uns durch Gebet und Handauflegung ernannt worden sind, deren Namenunterschiede auch die Sachunterschiede darstellen. Denn nicht Jeder,12 welcher wollte, erhielt bei uns die Handauflegung wie im falschen und ehebrecherischen Priesterthum zur Zeit Jeroboams, sondern der von Gott berufen war. Denn wenn kein Gesetz gegeben wäre, wenn kein Weiheunterschied bestünde, so würde es genügt haben, Alles unter einem Namen zusammenzufassen. Aber vom Herrn belehrt über die Reihenfolge der liturgischen Handlungen, haben wir bezeichnet, was den Bischöfen bezüglich des hohenpriesterlichen Amtes zugehört, den Priestern, was zum Priesterthum, den Diakonen aber, was zum Dienste gehört, den sie haben, damit sie das, was auf den Gottesdienst sich bezieht, tadellos verrichten. Denn nicht ist den Diakonen erlaubt zu opfern oder zu taufen oder die große oder kleine Benediktion zu ertheilen, und dem Priester nicht zu ordiniren, weil es nicht recht ist, daß die Ordnung verkehrt werde; denn Gott ist kein Gott der Unordnung,13so daß die Untergeordneten sich gewaltthätig zueignen, was den Vorgesetzten zusteht, eine neue Gesetzordnung zu ihrem eigenen Übel feststellend, weil sie verkennen, daß es ihnen schwer ist, wider den Stachel auszuschlagen.14 Und diese Menschen widerstreben nicht uns oder den Bischöfen, sondern dem Bischof Aller und dem Hohenpriester des Vaters, Christus Jesus unserm Herrn. Es sind nämlich, durch Moses, S. 312 den Liebling Gottes, eingesetzt worden Hohepriester und Leviten: von unserm Heiland aber wir Apostel; von den Aposteln aber ich, Jakobus, und ich, Clemes, und Andere mit uns, um nicht wiederum alle aufzuzählen. In gleicher Weise wurden von uns Allen aufgestellt Priester, Diakonen, Subdiakonen und Lektoren.
Der erste Hohepriester also, der es seiner Natur nach ist, ist der eingeborne Christus, der nicht selbst sich die Ehre genommen,15 sondern vom Vater aufgestellt worden ist; er ist unsertwegen Mensch geworden, hat seinem Gott und Vater das geistliche Opfer gebracht und vor seinem Leiden16 uns allein verordnet, Dieses zu thun, obgleich mit uns Andere waren, welche an ihn glaubten. Aber nicht jeglicher Gläubige wurde als Priester aufgestellt oder erhielt die hohepriesterllche Würde. Nach der Aufnahme des Herrn aber bringen wir gemäß seiner Anordnung das reine und unblutige Opfer dar, haben Bischöfe und Priester bestellt, und Diakonen, sieben an der Zahl.17 Einer aus diesen sieben war Stephanus, der selige Martyrer; in der Liebe gegen Gott stand er uns keineswegs nach, welcher so sehr Glauben und Frömmigkeit gegen Gott gezeigt und Liebe gegen unsern Herrn Jesus Christus, daß er für ihn auch sein Leben hingab, von den Juden, den Mördern des Herrn durch Steinigung getödtet. Aber den so trefflichen und großen Mann, sprühend von Geist, welcher Christum zur Rechten Gottes und die himmlischen Thore offen sah, niemals sah man ihn Solches vollziehen, was zum Amte der Diakonen nicht gehört, weder Opferung noch Handauflegung, sondern die Ordnung des Diakons bis zu seinem Ende hat er beachtet. Denn so geziemte es sich für den Martyr Christi, daß er Ordnung und Disciplin halte. Wenn sie aber den Diakon Philippus und den Glaubensbruder Ananias anklagen, daß Jener nämlich den Eunuchen getauft, Dieser aber mich, Paulus: so verstehen sie nicht, was sie S. 313 sagen; wir sagen nämlich, Niemand reisse eigenmächtig die priesterllche Würde an sich, sondern entweder erhalte er sie von Gott, wie Melchisedech und Job, oder vom Hohenpriester, wie Aaron von Moses: also haben auch Philippus und Ananias sich nicht selbst aufgestellt, sondern sind von Christus, dem Hohenpriester, dem unvergleichlichen Gotte, auserwählt worden. S. 314