Einleitende Notizen: Schutzschrift gegen die Arianer
S. 47 1Die vorliegende Apologie des heiligen Athanasius gegen die Arianer ist umfangreicher als seine übrigen Apologien in der nämlichen Sache, auch die Geschichte der Arianer an die Mönche eingeschlossen, so weit letztere noch erhalten ist. Sie besteht größtentheils aus Aktenstücken, Briefen und Synodalschreiben und hat deßhalb auch einen hohen Werth für die Kirchengeschichte. Sie zerfällt in zwei größere Theile, von denen der erste sich auf die Kämpfe bezieht, die der Heilige von seiner Rückkehr aus der Verbannung nach Gallien (337) bis zur Rückkehr aus seiner zweiten Verbannung nach dem Concil von Sardica (343) zu bestehen hatte. Dieser Theil umfaßt die Kapitel 3 ― 58. Der zweite Theil von K. 59 ― 88 bringt die Geschichte des Arianismus von seinem Ursprung bis zur Rückkehr des Athanasius aus seiner Verbannung in Gallien. Das erste und zweite Kapitel bilden die Einleitung. Die letzten Kapitel 89 und 90 werden von Montfaucon als späterer Zusatz erklärt. Es S. 48 ist nämlich daselbst von der zweijährigen Verbannung des Liberius, sowie von der Verbannung des Hosius und dem gegen ihn geübten Zwang die Rede, so daß also diese zwei Kapitel vor 357 nicht geschrieben sein können. Es ist auf den ersten Blick allerdings auffallend, daß in diesen zwei letzten Kapiteln auf so späte Vorgänge Bezug genommen wird, während sonst in der ganzen Schrift Nichts Erwähnung findet, was später läge als der Widerruf der Ursacius und Valens, der bald nach der Rückkehr des Athanasius aus seiner zweiten Verbannung (345) stattfand. Das könnte aber auch darin seinen Grund haben, daß Athanasius zu seiner Rechtfertigung sich auf spätere Vorgänge, namentlich auf die Entscheidungen der Synoden zu Arles (353) und Mailand (355) nicht berufen konnte, da auf denselben die Mehrzahl der versammelten Bischöfe sein Verdammungsurtheil unterschrieb. Zudem erschien die Erwähnung dieser Synoden auch deßhalb überflüssig, weil auf denselben keine neuen Beschuldigungen gegen Athanasius mehr vorgebracht wurden und man auf denselben überhaupt keine Untersuchung pflog, sondern Alles mit Gewalt entschied.
Die Abfassungszeit der Schrift setzt Montfaucon vor das Jahr 352, in dem Ursacius und Valens ihren Widerruf, den sie auf einem Concil in Mailand und vor Papst Julius geleistet hatten, wieder zurücknahmen. Montfaucon findet es nämlich unwahrscheinlich, daß, wenn diese Apologie nach dem Rückfalle der genannten Bischöfe verfaßt worden wäre, Athanasius gesagt haben würde, sie hätten aus Reue widerrufen, zumal sie bei der Zurücknahme jenes Widerrufes ausdrücklich erklärten, sie hätten den Widerruf nur aus Furcht vor Kaiser Constans geleistet. Sehr überzeugend finde ich nun das gerade nicht. Athanasius konnte auch nach der Zurücknahme des Widerrufes nachweisen, daß sie zum Widerrufe alle Ursache hatten und, weil kein Zwang geübt wurde, ihr Widerruf nur als eine Folge ihrer Reue über das ihm zugefügte Unrecht angesehen werden könne. Beruft sich ja doch Athanasius auch in K. 1 der Apologie an Constantius, die vor 356 nicht abgefaßt wurde, S. 49 auf eben diesen Widerruf des Ursacius und Valens als ein besonders wichtiges Zeugniß für seine Unschuld. Ein nicht minder unbefriedigendes Argument ist es, wenn Montfaucon zur Aufrechthaltung seiner Ansicht sich auf K. 59 dieser Apologie beruft, wo Athanasius sagt: „was ich jetzt gelitten habe,“ und diese Worte auf seine zweite Verbannung von 339 — 345 bezieht, da man dieselben auch auf seine dritte Verbannung von 356 — 361 beziehen kann.
Was mich vorzugsweise in der Ansicht bestärkt, daß unsere Apologie in der Zeit vom Widerrufe des Ursacius und Valens bis zur dritten Verbannung des Athanasius, von 345 — 356 verfaßt wurde, ist die gleich im ersten Kapitel ausgesprochene Verwahrung des Athanasius gegen eine neue Untersuchung. Eine solche Verwahrung wäre nach der genannten Zeit höchst überflüssig gewesen, wo seine Feinde einen vollständigen Sieg über ihn erfochten hatten und an eine neue Untersuchung gewiß nicht dachten, da ihnen eine solche keinen Vortheil mehr bringen konnte. Übrigens ist es möglich, daß Athanasius seine Apologie vor den in den zwei letzten Kapiteln erwähnten Vorfällen nicht veröffentlicht und dieselben selbst beigefügt habe. Sie schließen sich sehr natürlich an trotz der chronologischen Lücke.
Die Urkunden, welche die Apologie enthält, sind folgende: 1) Ein Synodalschreiben der in Alexandria versammelten Bischöfe an Papst Julius und sämmtliche katholische Bischöfe der Erde, K. 3 — 19; 2) Schreiben des Papstes Julius an Eusebius, K. 21 — 35; 3) Drei Synodalschreiben der Synode von Sardica, darunter zwei fast durchgehends gleichlautende an die Alexandriner und die ägyptischen Bischöfe, und eines an sämmtliche Bischöfe der Erde, K. 37 — 50; 4) Drei Schreiben des Kaisers Constantius an Athanasius, K. 51; 5) Brief des Papstes Julius an die Alexandriner (Empfehlungsschreiben), K. 52 und 53; 6) Drei Empfehlungsschreiben des Kaisers Constantius, K. 54 — 56; 7) Synodalschreiben der Bischöfe in Jerusalem, K. 57; 8) Zwei Widerrufserklärungen der Bischöfe Ursacius und Valens, an Julius und Athanasius S. 50 gerichtet, K. 58; 9) Abschnitt aus einem Briefe Constantin des Großen, K. 59; 10) Schreiben des Nämlichen an die Kirche in Alexandria, K. 61 und 62; 11) Schreiben des vorgeblichen Priesters Jschyras an Athanasius, K. 64; 12) Brief des Bischofs Alexander von Thessalonich an Athanasius, K. 66; 13) Brief des Priesters Pinnes an Bischof Johannes, K. 67; 14) Brief Constantin des Großen an Athanasius, K. 68; 15) Brief des Bischofs Arsenius an Athanasius, K. 69; 16) Brief Constantin des Großen an Bischof Johannes, K. 70; 17) Verzeichniß der dem Bischof Melitius unterworfenen Kleriker, K. 71; 18) Schreiben der Kleriker in Alexandria an die Eusebianer; K. 73; 19) Schreiben der nach Tyrus gekommenen ägyptischen Bischöfe an die Synode zu Tyrus, K. 77; 20) Zwei Schreiben der nämlichen Bischöfe an den Comes Flavius Dionysius, K. 78. 79; 21) Schreiben des Bischofs Alexander von Thessalonich an den Nämlichen, K. 80; 22) Schreiben des Comes Dionysius an die Eusebianer, K. 81; 23) Schreiben der Synode in Jerusalem an die Kirche in Alexandria und die Kleriker der ganzen Kirche, K. 84; 24) Schreiben des Katholikus an den Exactor in der Mareotis, K. 85; 25) Schreiben Constantin des Großen an die Synode in Tyrus, K. 86; 26) Schreiben des Nämlichen an die Kirche in Alexandria, K. 87. ― Die Zahl sämmtlicher Aktenstücke beträgt sechsunddreissig.
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Aus: Ausgewählte Schriften des Heiligen Athanasius, Erzbischofs von Alexandria und Kirchenlehrers : 2. Band / aus dem Urtexte übers. und mit Einl. sowie erl. Bemerkungen vers. von Jos. Fisch. (Bibliothek der Kirchenväter, 1 Serie, Band 29), Kempten 1875. ↩