3.
Ist die Sonne über der Erde aufgegangen, so ist sie ganz auf der Erde. Neigt sie sich aber zum Untergange, so nimmt sie alle ihre Strahlen zusammen und kehrt in ihre Wohnung zurück1. So ist auch eine Seele, S. 348 die nicht „von oben her“ aus dem Geiste „wiedergeboren ist“, noch ganz auf der Erde und breitet sich mit ihren Gedanken und ihrem Sinn auf der Erde bis zu ihren Grenzen aus. Sobald sie aber gewürdigt wird, die himmlische Geburt und „Gemeinschaft des Geistes“2 zu empfangen, nimmt sie alle ihre Gedanken zusammen, trägt sie mit sich und geht zum Herrn in die himmlische, nicht von Menschenhänden gemachte Wohnung und alle ihre Gedanken werden himmlisch, rein und heilig, sie begeben sich in göttliche Luft. Befreit aus dem finsteren Kerker des bösen Herrschers, des „Weltgeistes“3, findet die Seele reine und heilige Gedanken. Denn es hat Gott gefallen, den Menschen göttlicher Natur teilhaftig zu machen4.
„Göttin, wenn ich weit ausholend vom Anfang erzählen soll,
Und Du Muße hast, unserer Leiden Geschichte zu hören,
Dann wird früher den Tag der Abend beschließen,
nachdem der Olymp ist geschlossen.
(Ante diem clauso componet vesper Olympo.)
War die Sonne unter den Horizont gesunken, so dachten sich die Alten das westliche Tor des Olymp, des Himmels, geschlossen. Stiglmayr verweist noch auf eine beachtenswerte Stelle in Justins Dialog c. 128: „Ich höre einige sagen, diese Kraft (= der Logos) könne sich vom Vater nicht scheiden und nicht trennen, wie . . . das Licht der Sonne auf der Erde von der Sonne, die am Himmel steht, nicht geschieden und getrennt werden kann, und wenn jene untergeht, auch das Licht mit ihr schwindet.
Diese naive Vorstellung vom Untergehen der Sonne hat „Makarius“, wie Stiglmayr (Sachliches und Sprachliches b. Mak. S. 58) zeigt, vollständig mit antiken Schriftstellern gemein. Die griechischen Dichter sehen in der Sonne, dem ἥλιος [hēlios], ein Lebewesen, einen Gott, der am Morgen aus den Toren der Eos tritt, um seine Feuerstrahlen über die ganze Erde auszugießen, und am Abend in den Ozean taucht, um zu seinem herrlichen Palaste im Osten zurückzukehren. Dieselbe Vorstellung wie „Makarius“ hat der lateinische Dichter Vergil, wenn er Aen. I, 372 ff. schreibt: ↩
Phil. 2, 1; 2 Kor. 13, 13. ↩
1 Kor. 2, 12. ↩
Vgl. 2 Petr. 1, 4. ↩
