276. Frage.
S. 340 Was heißt der Ausspruch des Apostels: „Auf daß ihr prüfet, was der Wille Gottes sei, was gut, wohlgefällig und vollkommen“?1
Antwort. Es gibt Vieles, was Gott will: das Eine aus Langmuth und Güte, was gut ist und genannt wird; das Andere aber aus Zorn wegen unserer Sünden, was böse genannt wird. „Denn ich bin es,“ sagt er, „der den Frieden gibt und das Böse schafft;“2 aber nicht das Böse, wegen dessen wir gestraft, sondern das, durch welches wir erzogen werden. Was uns aber erzieht und durch seine Unannehmlichkeit zur Bekehrung führt, dient zum Guten. Was immer also Gott in seiner Langmuth und Güte will, müssen auch wir wollen und nachahmen; „denn seid barmherzig,“ sagte er, „wie euer Vater im Himmel barmherzig ist.“3 Und der Apostel sagt: „Seid Nachahmer Gottes wie geliebte Kinder, und wandelt in Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat.“4 Was er aber immer aus Zorn wegen unserer Sünden herbeiführt, und was, wie ich sagte, wegen seiner Unannehmlichkeit böse genannt wird, Das ist auch uns keineswegs zu thun verstattet. Denn obgleich es Gottes Wille ist, daß die Menschen oft durch Hunger oder Pest oder Krieg oder Anderes dergleichen umkommen, so dürfen wir uns doch einen solchen Willen nicht beikommen lassen. Denn zu Dergleichen bedient sich Gott auch böser Diener dem Ausspruche gemäß: „Er sandte unter sie die Glut seines Zorns, Zorn, Grimm und Drangsal, Bescheerung böser Engel.“5 Daher haben wir zuerst zu untersuchen, welches der Wille Gottes sei, dann, wenn wir den guten Willen erkannt haben, zu erwägen, ob dieser auch Gott angenehm und wohlgefällig sei. Denn es gibt Manches, was in besonderer Beziehung sowohl Gottes Wille als auch gut S. 341 ist, geschieht es aber von einer unrechten Person oder zur unrechten Zeit, Gott nicht mehr angenehm ist. So war es z. B. Gottes Wille und auch gut, Gott Rauchwerk darzubringen; allein es war Gott nicht wohlgefällig, daß es Dathan und Abiron thaten. Auch ist es ferner gut und Gottes Wille, Almosen zu geben; es aber zu thun, um von den Menschen gepriesen zu werden, ist Gott nicht mehr angenehm. Auch war es ferner Gottes Wille und gut, daß die Jünger Das, was sie in den Häusern hörten, auf den Dächern predigten; aber Etwas vor der Zeit zu verkündigen, war Gott nicht mehr angenehm. „Denn Keinem,“ heißt es, „saget dieses Gesicht, bis der Sohn des Menschen von den Todten auferstanden sein wird.“6 Und überhaupt ist jeder gute Wille Gott dann auch wohlgefällig, wenn dabei das vom Apostel Gesagte erfüllt wird: „Thut Alles zur Ehre Gottes,“7 und : „Alles geschehe mit Anstand und Ordnung;“8 ferner aber dürfen wir, wenn auch Etwas der Wille Gottes, gut und wohlgefällig ist, nicht deßhalb ohne Sorge sein, sondern müssen uns bemühen, dahin streben, daß es vollkommen und nicht mangelhaft sei, einerseits nach dem Maße dessen, was geschieht, ob es dem Gebote gemäß geschieht, anderseits nach dem Maße der Kraft dessen, der es thut. Denn es heißt: „Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von deiner ganzen Seele, und aus allen deinen Kräften, und aus aller deiner Macht, und aus deinem ganzen Gemüthe, und deinen Nächsten wie dich selbst,“9 wie auch der Herr im Evangelium nach Johannes gelehrt hat. Und so müssen wir jedes Gebot erfüllen, wie geschrieben steht: „Selig ist der Knecht, den sein Herr, wann er kommt, so handelnd findet.“10