1.
XX. Rede1.
Über die Glaubenslehre und die Aufstellung der Bischöfe2.
Wenn ich die Geschwätzigkeit unserer Zeit wahrnehme und die Eintagsphilosophen und die durch Stimmenzahl gewordenen Theologen, die nur dem Wollen ihre Weisheit verdanken, sehe, dann sehne ich mich nach der himmlischen Weisheit und suche mit Jeremias3 einen entlegenen Platz auf, um für mich allein zu sein. Was ich am höchsten schätze, ist, die Sinne einschlummern zu lassen, vom Fleisch und der Welt loszukommen, mit menschlichen Angelegenheiten mich nur im höchsten Notfalle abzugeben, mich mit mir und Gott zu unterhalten, über dem Sinnlichen erhaben zu leben, stets die göttliche Prägung tadellos und frei von den irdischen Eindrücken und Irrtümern in mir zu erhalten, jetzt und immer dem reinen Spiegel zu gleichen, der Gott und das Göttliche widerspiegelt, mit dem schwächeren Lichte das stärkere aufzunehmen, bis wir zur Quelle irdischen Glanzes gelangen und das glückliche Ziel erreichen, wo der Spiegel durch die Wahrheit ersetzt wird. Denn mag sich einer auch S. 405 durch lange Beschäftigung mit der Philosophie geschult und gebildet und allmählich das Edle und Lichte seiner Seele von dem Erniedrigenden und Düsteren losgerissen haben oder mag er Gottes Barmherzigkeit gefunden haben oder mag ihm beides zuteil geworden sein und er sich ganz besonders damit abgeben, seinen Blick himmelwärts zu richten, so wird er doch nur mit großer Mühe über die abwärtsziehende Materie Herr. Solange wir nicht diese mit aller Kraft bezwungen und Ohren und Denken genügend gereinigt haben, halte ich es für unsicher, Seelenführung zu übernehmen oder sich mit theologischen Fragen zu befassen.