3.
Meine Lehrerin seufzte bei diesen Worten leise auf und sprach: „Solches und ähnliches brachten wohl die Stoiker und Epikuräer vor, als sie in Athen gegen den Apostel auftraten (Apg. 17, 18). Denn ich höre, daß Epikur derartigen Anschauungen besonders huldigte, als ob, wie er gefunden zu haben glaubte, die Natur aller Dinge ganz zufällig und von selbst entstanden sei, ohne S. 248 daß eine Vorsehung das All durchdringe. Folgerichtig sah er im Menschenleben auch nur gleichsam eine Wasserblase, und unseren Körper betrachtete er als durch eine Art Luft aufgeschwellt und nur von so langer Dauer, als das Gefäß1 den Lufthauch einzuschließen vermöge; sobald aber der Körper zerfalle, verflüchtige sich auch das in demselben Eingeschlossene. Ihm war nämlich das Sichtbare die Grenze der Natur der Dinge, und zum Maß unserer Weltanschauung machte er die sinnliche Wahrnehmung, während er die Erkenntnisquellen des Geistes vollständig verschlossen hielt und unfähig war, auf Geistiges und Unkörperliches seinen Blick zu richten, gerade wie ein in das Zimmer Eingesperrter die Wunder der Himmel nicht zu schauen vermag, weil Decke und Wände ihn hindern hinauszublicken. Denn aus allem, was in der Welt mit den Sinnen wahrnehmbar ist, erbauen sich Schwachköpfe gleichsam feste Wände, die sie verhindern, rein Geistiges zu erkennen. Solche sehen dann nur Erde, Luft, Wasser und Feuer2; woher aber jedes dieser Elemente stammt, und wie es mit anderen verbunden ist, und von wem es in seinem Bestande erhalten wird, vermögen sie in ihrer Kurzsichtigkeit nicht zu erkennen. Zwar ein Gewand wenn einer sieht, so schließt er auf den Weber, oder beim Schiffe denkt er an den Schiffszimmermeister; desgleichen kommt beim Anblick eines Gebäudes den Beschauern sofort die Hand des Baumeisters in den Sinn. Die nämlichen aber vermögen, wenn sie die Welt betrachten, wegen ihrer Kurzsichtigkeit den nicht zu erkennen, der sich in ihr offenbart. Und so werden von denen, welche den Untergang der Seele lehren, solche weise und spitzfindige Sätze vorgebracht, als ob der Leib aus Elementen und die Elemente aus dem Leib wären und als ob die Seele nicht für sich allein bestehen könne, weil sie weder zu den Elementen gehöre noch mit ihnen fortbestehen könne.“