4.
„Doch“, sagte sie, „das Geistige und Ausdehnungslose zieht sich weder zusammen, noch dehnt es sich aus ― nur Körpern kommt ja Zusammenziehung und S. 264 Ausdehnung zu ―, sondern infolge seiner unsichtbaren und körperlosen Natur ist es sowohl den im lebendigen Körper vereinigten Elementen, als den nach dem Tode getrennten Bestandteilen gleichmäßig gegenwärtig; sie fühlt sich weder beengt, wenn sie im Körper vereinigt sind, noch verlassen, wenn sie beim Scheiden zu den ihnen verwandten und gleichartigen Stoffen zurückkehren, wie sehr sie auch wegen ihrer verschiedenartigen Natur voneinander abstehen. Sehr verschieden ist ja das aufwärts Strebende und Leichte von dem Schweren und Erdhaften, das Warme vom Kalten, das Nasse vom Trockenen. Aber für die geistige Natur ist es keine Mühe, jedem Teile gegenwärtig zu bleiben, mit dem sie in der Körpermischung verwachsen war; auch berührt sie die Verschiedenheit der Elemente nicht. Denn wenn man auch bei denselben im Hinblick auf die räumliche Entfernung und auf ihre eigentümliche Beschaffenheit einen großen Unterschied annehmen muß, so kann sich doch die ausdehnungslose Seele leicht mit dem räumlich Getrennten verbinden, da es auch jetzt dem Geiste vergönnt ist, sowohl den Himmel zu betrachten, als auch in wißbegierigem Forschen bis an die äußersten Grenzen der Erde zu eilen, während doch der betrachtende Teil unserer Seele nicht zerrissen wird, auch wenn er sich in solche Weiten ausdehnt. Demnach steht der Seele nichts im Wege, den Elementen des Leibes nahe zu sein, mögen sie nun vereint und verbunden oder aufgelöst und zerstreut sein.“
„Denn wie man bei Verschmelzung von Gold und Silber eine gewisse künstlerische Macht bemerkte, welche die Stoffe zusammenschmilzt, und die Idee der Kunst auch dann, wenn der eine Stoff von dem anderen wieder geschieden wird, bei jedem derselben bleibt, und der Stoff zwar der Trennung unterliegt, die Kunst aber nicht zugleich zerteilt wird (denn wie sollte das Unteilbare geteilt werden), ebenso wird die geistige Natur der Seele sowohl in der Verbindung der körperlichen Elemente vorgefunden, als auch bei deren Zerfall nicht weggestoßen, sondern, in ihnen bleibend, wird sie, obgleich sie doch beim Auseinandergehen dieser Urbestandteile dieselben begleitet, gar nicht zerstückelt, noch etwa S. 265 nach der Zahl derselben in Teile und Teilchen zerkleinert. Letzteres kann bei der körperlichen und ausgedehnten Natur vorgenommen werden, dagegen die geistige und von der Ausdehnung freie Natur ist über räumliche Bestimmungen erhoben. Demnach verharrt die Seele in den Verbindungen, in die sie einmal eintrat, da sich keine Notwendigkeit einsehen läßt, welche dieselben zerstören könnte. Was ist also Trauriges daran, wenn gegen das Wahrnehmbare das Unwahrnehmbare eingetauscht wird, und warum ist dein Gemüt so gegen den Tod erbittert?“§ 8. Die Grundkräfte der Seele.