11. Kap. Die Zeugnisse über Johannes den Täufer und über Christus.
Von der bald erfolgten Enthauptung Johannes des Täufers durch den jüngeren Herodes berichtet sowohl die göttliche Urkunde der Evangelien1 wie auch Josephus,2 welcher die Herodias mit Namen erwähnt und erzählt, daß Herodes die Frau seines Bruders geheiratet habe, nachdem er seine erste, gesetzlich ihm angetraute Gattin, eine Tochter Aretas’, des Königs der Peträer, verstoßen und Herodias ihrem noch lebenden Manne entführt hatte. Er verwickelte sich, nachdem er ihretwegen den Johannes hatte hinrichten lassen, in einen Krieg mit Aretas wegen der Schändung von dessen Tochter. Als es in diesem Kriege zur Schlacht kam, ging — so berichtet Josephus — das ganze Heer des Herodes zugrunde zur Strafe für sein Vorgehen gegen Johannes. Derselbe Josephus gesteht auch,3 daß Johannes der Gerechteste unter den Gerechten gewesen sei und getauft habe; er stimmt also mit dem überein, was das Evangelium über ihn geschrieben hat. Ferner berichtet er,4 daß Herodes wegen der Herodias den Thron verloren habe und mit ihr ins Ausland nach Vienna in Gallien zur Strafe verbannt worden sei.5 Diese Berichte finden sich im achtzehnten Buche der „Altertümer“, wo Jose- S. 50 phus wörtlich also schreibt:6 „Manche von den Juden glaubten, daß das Heer des Herodes von Gott vernichtet worden sei, um gerechte Rache für Johannes, den sog. Täufer, zu nehmen, Herodes hatte nämlich diesen töten lassen, obwohl er ein braver Mann war und die Juden veranlaßte, zuerst die Tugend zu pflegen, dem Nächsten gegenüber Gerechtigkeit, Gott gegenüber Frömmigkeit zu üben und dann zur Taufe zu kommen. Denn nur dann sei die Taufe vor Gott angenehm, wenn nicht mehr Sünden der Verzeihung bedürfen, sondern wenn der Körper gereinigt wird zum Zeichen dafür, daß die Seele durch Gerechtigkeit rein ist. Da auch das übrige Volk herbeiströmte und die Leute sich durch seine Worte völlig hinreißen ließen, fürchtete Herodes, sein gewaltiger Einfluß auf die Menschen möchte, weil sie sich in allem nach ihm zu richten schienen, sie zu einem Aufstand veranlassen, und hielt es darum für viel besser, ihn, noch ehe er etwas Unerhörtes unternehmen würde, aus dem Leben zu schaffen, als später nach eingetretenen Ereignissen schmerzlich vor vollendeter Tatsache zu stehen. Auf den Verdacht des Herodes hin wurde Johannes gefesselt nach Machärus,7 in die oben erwähnte Burg, geschickt und dort hingerichtet.“ Nachdem Josephus diese Berichte über Johannes gegeben hat, gedenkt er in dem gleichen Geschichtswerke auch unseres Erlösers, und zwar mit folgenden Worten:8 „Zu jener Zeit lebte Jesus, ein weiser Mann, wenn man ihn überhaupt einen Mann nennen darf. Denn er wirkte Wunder und war der Lehrer wahrheitsliebender Menschen. Viele Juden und auch viele Heiden gewann er für sich. Er war der Christus. Obwohl ihn Pilatus auf Denunziation unserer angesehensten Männer hin zum Kreuzestode verurteilt hatte, verharrten die, welche ihn von Anfang an geliebt hatten, in S. 51 seiner Verehrung. Es war ihnen nämlich sicher, daß er am dritten Tage wieder zum Leben erwachte, nachdem schon die göttlichen Propheten die Auferstehung und tausend andere wunderbare Ereignisse über ihn vorausgesagt hatten. Auch heute noch existiert dieses Geschlecht der Christen, welches sich nach jenem benannt hat.“9 Da ein Schriftsteller, der von den Hebräern selbst abstammte, in dieser Weise über Johannes den Täufer und über unseren Erlöser in seiner Schrift berichtet, wie können da noch diejenigen, welche Erinnerungen gegen beide erdichtet haben, dem Vorwurf der Frechheit entgehen? Doch genug hierüber. S. 52
Matth. 14, 1—12; Mark. 6, 14—29; Luk. 3, 19 f.; 9, 7—9. ↩
Altert. 18, 109—114. ↩
Ebd. 18, 117. ↩
Ebd. 18, 240—255; vgl. 17, 344. ↩
Des Herodes Bruder Archelaus, nicht aber Herodes selbst, wurde nach Vienna verbannt. Josephus, Altert. 17, 344. Herodes wurde nach Lugdunum in Gallien (vielleicht nicht das spätere Lyon, sondern Lugdunum Convenarum am Nordabhang der Pyrenäen) verbannt. Josephus, Altert, 18, 252. ↩
Altert. 18, 117—119. ↩
Machärus, das jetzige Mkaur, lag am Ostufer des Toten Meeres. ↩
Altert. 18, 63 f.; vgl. Evgl. Beweisf. 3, 3, 105 f. ↩
Eusebius ist der erste Schriftsteller, welcher diese aus dem Munde eines Juden so seltsam klingenden Worte aus den „Altertümern“ des Josephus zitiert hat. Dieser Bericht über Jesus findet sich allerdings auch in den griechischen Handschriften des Josephus, deren älteste ins elfte Jahrhundert zurückgeht. Mag auch in dieser berühmt gewordenen Stelle ein echter Kern gelegen sein, so ist sie doch als stark interpoliert anzusehen. Niese, welcher 1887—1895 die Werke des Josephus in sieben Bänden herausgegeben hat, erklärt in der Einleitung S. LXIX sowie in der 1893 in Marburg erschienenen Programmschrift „De testimonio Christiano, quod est apud Josephum Ant. Jud. 18, 63 sq. disputatio“, die ganze Stelle sei eine Interpolation, welche zwischen Origenes und Eusebius eingeschoben worden sei. Schürer, „Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu“ I 3 u 4 (Leipzig 1901) S. 544 f, hatte die Schriften für und gegen die Echtheit der Stelle zusammengestellt. Vgl. noch A. Harnack, „Der jüdische Geschichtschreiber Josephus und Jesus Christus“, in Internationale Monatsschrift für Wiss., Kunst und Technik 7 (1913) S. 1037—1068; E. Norden, „Josephus und Tacitus über Jesus Christus und eine messianische Prophetie“, in Neue Jahrb. f. d. klass. Altertum, Gesch. und deutsche Lit. 31 (1913) S. 637—666; P. Corssen, „Die Zeugnisse des Tacitus und Pseudo-Josephus über Christus“, in Zeitschr. f. d. neutestamentl. Wiss. 15 (1914) S. 114-140; Brüne, „Zeugnis des Josephus über Christus“, in Theol. Studien und Kritiken 92 (1919) S. 139—147; M. Wertheimer, „Das echte und unechte Josephus-Flaviuszeugnis über Jesus“ (Wien 1929); R. Eisler, „Flavius Josephus on Jesus Called the Christ“, in Biblioth. Sacra 1. 2 (St. Louis USA. 1930) S. 1—60. ↩
