1. Kap. Das Leben der Apostel nach der Himmelfahrt Christi.
An Stelle des Verräters Judas wurde zunächst Matthias durch das Los zum Apostel gewählt,1 der auch, wie erwähnt,2 einer von den Jüngern des Herrn war. Unter Gebet und Handauflegung von seiten der Apostel wurden als Diakonen für den öffentlichen sozialen Dienst sieben bewährte Männer aufgestellt, die sich um Stephanus sammelten.3 3 Dieser war nach dem Herrn der erste, der getötet wurde; schon gleich nach seiner Wahl wurde er, wie wenn er eben dazu erwählt worden wäre, von den Mördern des Herrn gesteinigt.4 Er erwarb sich also zuerst den von seinem Namen angedeuteten5 Kranz der Märtyrer Christi, welche des Sieges würdig sind. Jakobus, der sog. Bruder des Herrn, auch Sohn des Joseph genannt, des Vaters Christi,6 von welchem das heilige Evangelium7 berichtet, er habe gefunden, daß die Jungfrau, noch ehe sie zusammenkamen, vom Heiligen Geiste empfangen habe, — dieser Jakobus, dem die Alten wegen seiner sittlichen Vorzüge den Beinamen S. 61 „der Gerechte“ gaben erhielt, wie die Geschichte überliefert, als erster den Bischofsstuhl der Kirche von Jerusalem. Klemens schreibt im sechsten Buche der Hypotyposen: „Petrus, Jakobus und Johannes sollen nach der Himmelfahrt des Heilands, weil sie schon vom Heiland mit Ehren ausgezeichnet worden waren, nicht nach Ehren getrachtet haben; er (der Heiland) habe sich vielmehr Jakobus den Gerechten zum Bischof von Jerusalem erwählt.“ Im siebten Buche des gleichen Werkes erklärt er auch noch über ihn: „Der Herr gab nach seiner Himmelfahrt Jakobus dem Gerechten, Johannes und Petrus die Gnosis, welche diese den übrigen Aposteln, die übrigen Apostel den Siebzig, unter denen auch Barnabas war, weitergaben. Es gab aber zwei Männer mit Namen Jakobus. Der eine war Jakobus der Gerechte; dieser wurde von der Zinne des Tempels herabgestürzt und von einem Walker mit einem Stück Holz totgeschlagen. Der andere wurde enthauptet.“ Jakobus des Gerechten gedenkt auch Paulus, wenn er schreibt:8 „Einen anderen der Apostel aber sah ich nicht außer Jakobus, den Bruder des Herrn.“ Damals ging auch das Versprechen unseres Erlösers an den König von Osroëne in Erfüllung. Auf göttlichen Antrieb nämlich entsandte Thomas den Thaddäus als Prediger und Verkünder der christlichen Heilslehre nach Edessa, wie wir es etwas weiter oben aus der dortselbst gefundenen Urkunde mitgeteilt haben. Thaddäus erschien in jener Gegend, heilte Abgar durch das Wort Christi, versetzte alle dortigen Bewohner durch seine Wunder in Staunen, bereitete sie durch seine Taten hinreichend vor, führte sie zur Verehrung der Kraft Christi und machte sie zu Jüngern der Heilslehre. Von jener Zeit an bis auf den heutigen Tag ist die ganze Stadt Edessa der Lehre Christi treu ergeben; denn die Wohltaten, welche sie von unserem Erlöser erfahren hatte, waren nicht bedeutungslos. Diese Erzählung ist alten geschichtlichen Urkunden entnommen. Kehren wir S. 62 nun wieder zur göttlichen Schrift zurück! Nach der auf den Martertod des Stephanus folgenden ersten und größten Verfolgung, welche die Kirche in Jerusalem von seiten der Juden zu erdulden hatte, zerstreuten sich alle Jünger mit Ausnahme der zwölf Apostel allein über Judäa und Samaria,9 1 und einige kamen, wie die göttliche Schrift sagt,10 bis nach Phönizien, Cypern und Antiochien, ohne es jedoch schon zu wagen, den Heiden das Wort des Glaubens mitzuteilen, das sie nur erst den Juden verkündeten. Damals wütete Paulus gegen die noch junge Kirche, indem er in die Häuser der Gläubigen eindrang, Männer und Weiber fortschleppte und dem Gefängnis überlieferte.11 Unter denen, welche sich zerstreut hatten, war auch Philippus, einer von jenen, welche mit Stephanus zu Diakonen erwählt worden waren. Er kam nach Samaria und verkündete voll der göttlichen Kraft den dortigen Bewohnern zum ersten Male das Wort. Die göttliche Gnade wirkte so sehr mit ihm, daß sich durch seine Lehren unter sehr vielen anderen auch Simon der Magier gewinnen ließ. Dieser damals berühmte Simon faszinierte die von seiner Zauberei Betrogenen so sehr, daß sie ihn für die große Kraft Gottes hielten. Da auch er damals von den Wundertaten, welche Philippus in göttlicher Kraft vollbrachte, ergriffen wurde, machte er sich an ihn heran und ließ sich, den christlichen Glauben heuchelnd, sogar taufen. Dergleichen nimmt man auch heute noch mit Verwunderung an denen wahr, welche sich noch jetzt seiner verruchten Häresie anschließen, nach der Art ihres Stammvaters sich wie Pest und Krätze in die Kirche einschleichen und diejenigen in das größte Verderben stürzen, denen sie ihr verborgenes, unheilvolles, schlimmes Gift verabreichen können. Die meisten von ihnen sind allerdings bereits, nachdem sie ihrer Bosheit überführt worden waren, ausgestoßen worden wie Simon selbst, der in seinem Wesen von Petrus bloßgestellt wurde und die verdiente Strafe S. 63 empfing.12 Als die Heilspredigt täglich Fortschritte machte, führte ihr die Vorsehung aus Äthiopien den Kämmerer der dortigen Königin zu; denn noch heute wird jenes Volk auf Grund alter Sitte von einem Weibe regiert. Als erster Heide, als Erstling der Gläubigen aus der Heidenwelt erfuhr jener infolge einer Erscheinung durch Philippus von dem geheimnisvollen Wirken des göttlichen Wortes,13 worauf er, wie überliefert ist, in sein Vaterland zurückkehrte, um (dort) zuerst die Erkenntnis des allmächtigen Gottes und das erlösende Erscheinen unseres Heilandes unter den Menschen zu verkünden, so daß sich durch ihn tatsächlich das Prophetenwort14 erfüllte: „Äthiopien streckte seine Hand nach Gott aus.“ In jener Zeit erwies sich Paulus, das Gefäß der Auserwählung, „als Apostel nicht von Menschen oder durch Menschen, sondern durch Offenbarung Jesu Christi selbst und Gottes, des Vaters, der ihn von den Toten auferweckt hatte“;15 der Berufung war er nämlich durch ein Gesicht und durch eine Stimme, welche während der Offenbarung zu ihm sprach, gewürdigt worden.
-
Apg. 1, 23—26. ↩
-
oben I 12 (S. 52). ↩
-
Apg. 6, 1—6. ↩
-
Ebd. 7, 58 f. ↩
-
Stephanus = Kranz. ↩
-
Jakobus war nach Matth. 10, 3; Mark. 3, 13; Luk. 6, 15; Joh. 19, 25 (vgl. Matth. 27, 56); Apg. 1, 13 ein Sohn des Alphäus bzw. Kleophas, Daß er ein Sohn Josephs gewesen sei, behauptet schon das Protevangelium des Jakobus 17, 1 f. (vgl. 9, 2) in der Handschrift B; vgl. Hennecke, „Handb. z. d. neutestamentl. Apokr.“ S. 125. Daß Joseph Witwer war, lehrt auch schon das großenteils verlorengegangene Petrusevangelium, worauf sich Origenes (in Matth. 10, 17) beruft, wenn er schreibt: „Die Brüder Jesu sollen nach einigen, die sich damit auf eine Überlieferung des sog. Evangeliums nach Petrus oder des Buches des Jakobus stützen, Söhne Josephs von seiner ersten Frau sein, die vor Maria mit ihm zusammenlebte.“ Die gleiche Anschauung vertraten Epiphanius (Gegen die Häres. 78, 7 f.), der sich auf die Tradition der Juden beruft, Gregor von Nyssa in der Weihnachtsrede, ferner auch Chrysostomus und Hilarius. Anders urteilte allerdings Hieronymus im Kampfe gegen Helvidius. ↩
-
Matth. 1, 18. ↩
-
Gal. 1, 19. ↩
-
Apg. 8, 1. ↩
-
Ebd. 11, 19. ↩
-
Ebd. 8, 3. ↩
-
Apg, 8,18—23. ↩
-
Ebd. 8,26—38. ↩
-
Ps.67,32. ↩
-
Gal. 1,1. ↩