11. Kap. Die damaligen Schicksale des Dionysius und der Ägypter.
Was Dionysius in der zu seiner Zeit aufs heftigste wütenden Verfolgung mit andern wegen seines Glaubens an den Gott des Alls erduldet, mögen seine eigenen Worte kundtun, welche er an Germanus,1 einen damaligen Bischof, der ihn zu verunglimpfen suchte, richtete und worin er sich also äußert: „Ich laufe tatsächlich Gefahr, in große Torheit und Unverständigkeit zu fallen,2 wenn ich notgezwungen über unsere wunderbare Führung durch Gott berichte. Doch da es heißt:3 ‚Es ist gut, das Geheimnis des Königs zu bewahren, rühmlich aber, die Taten Gottes zu offenbaren’, so will ich dem Angriffe des Germanus offen begegnen. Ich kam vor Ämilianus, nicht allein, sondern es folgten mir mein Mitpriester Maximus und die Diakonen Faustus, Eusebius und Chäremon. Auch trat mit uns ein einer der römischen Brüder, welche sich bei uns aufhielten. Nicht aber sagte mir Ämilianus in erster Linie: ‚Halte keine Versamm- S. 331 lungen ab!' Denn das zu sagen, erschien ihm nebensächlich und als das Letzte, ihm, der auf das Erste ging. Es war bei ihm nicht davon die Rede, daß wir andere nicht versammeln sollten, sondern davon, daß wir selber überhaupt nicht Christen sein dürften. Und so befahl er uns, vom Christentum zu lassen, und meinte, daß, wenn ich davon abfiele, die andern mir folgen würden. Ich gab eine Antwort, die der Lage entsprach und mit dem Satze sich berührte:4 ‚Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen.’ Ich bekannte offen und frei, daß ich den einen Gott verehre und sonst keinen und daß ich von ihm nicht lassen und nie aufhören werde, Christ zu sein. Darauf verwies er uns in ein in der Nähe der Wüste gelegenes Dorf, namens Kephro. Doch vernehmet die Worte selbst, die von beiden Seiten gesprochen und zu Protokoll genommen worden sind!
Nachdem Dionysius, Faustus, Maximus, Marcellus und Chäremon vorgeführt waren, erklärte der Statthalter Ämilianus: ‚Und mündlich habe ich zu euch gesprochen über die Güte unserer Herrscher gegen euch. Sie haben euer Wohl in eure eigenen Hände gelegt. Ihr braucht euch nur an das Naturgemäße zu halten und die Götter anzubeten, die ihr Reich behüten, dem Naturwidrigen aber zu entsagen. Was habt ihr darauf zu erwidern? Ich kann nämlich nicht annehmen, daß ihr gegen die Güte der Herrscher undankbar sein werdet, da sie euch zum Besseren nötigen.’Dionysius erwiderte: ‚Es beten nicht alle Menschen alle Götter an, sondern jeder gewisse, die er als solche anerkennt. Wir verehren und beten an den einen Gott und Schöpfer des Alls, der den gottgeliebtesten Kaisern Valerianus und Gallienus die Herrschaft gegeben hat. Ihn bitten wir auch ununterbrochen, daß ihre Herrschaft unerschüttert bleibe.’
Der Statthalter Ämilianus sprach zu ihnen: ‚Wer hindert euch denn, mit den Göttern, die es von Natur aus S. 332 sind, auch diesen anzubeten, sofern er ein Gott ist? Man hat euch ja nur den Befehl gegeben, Götter zu verehren, und zwar Götter, die alle kennen.’
Dionysius antwortete: ‚Wir beten keinen anderen Gott an.’
Der Statthalter Ämilianus erklärte ihnen: ‚Ich sehe, daß ihr zugleich undankbar und unempfindlich gegenüber der Güte unserer Kaiser seid. Daher werdet ihr nicht in dieser Stadt verbleiben. Ihr werdet in die Gegenden Libyens, und zwar nach dem Orte Kephro geschickt werden. Denn diesen Ort habe ich entsprechend dem Befehle unserer Kaiser ausgewählt. Auf keinen Fall soll es euch oder sonst jemand erlaubt sein, Versammlungen zu veranstalten oder die sog. Zömeterien zu besuchen. Sollte es sich aber zeigen, daß einer nicht an den von mir angewiesenen Ort gegangen, oder sollte er in einer Versammlung angetroffen werden, dann wird er sich selbst in Gefahr stürzen. Denn an der notwendigen Überwachung soll es nicht fehlen. Gehet also, wohin euch befohlen!’
Und obwohl ich krank war, verlangte er sofortige Abreise, ohne mir auch nur einen einzigen Tag Aufschub zu gönnen. Wie hätte ich also noch Zeit gehabt, zu überlegen, ob ich Versammlungen halten soll oder nicht?“
Weiter unten sagt Dionysius also: „Gleichwohl haben wir es mit Hilfe des Herrn nicht unterlassen, offen Versammlungen zu veranstalten. Mit großem Eifer rief ich die Christen der Stadt zusammen, wie wenn ich dort gewesen wäre. Körperlich war ich zwar, wie es heißt,5 abwesend, geistig aber war ich dabei. Auch in Kephro hielt sich bei uns eine große Gemeinde von Brüdern auf, die teils aus der Stadt gefolgt, teils aus Ägypten sich angeschlossen. Auch hier öffnete uns Gott eine Türe, das Wort zu verkünden.6 Anfangs allerdings wurden wir verfolgt und mit Steinen beworfen, später aber verließen nicht wenige von den Heiden ihre Götzen und bekehrten S. 333 sich zu Gott. Wir waren damals die ersten, die das Wort in sie säten, von dem sie zuvor nichts gehört hatten. Es war, als hätte uns Gott gerade deswegen zu ihnen geführt; denn nachdem wir diesen Dienst vollendet, führte er uns wieder von dannen. Ämilianus hatte nämlich, wie es schien, beschlossen, uns in recht rauhe und echt libysche Gegenden zu versetzen. Sämtliche verwies er so in die Landschaft Mareotis und bestimmte für jeden einen Flecken in dem Gebiete. Uns aber versetzte er mehr an die Landstraße, um uns zunächst fassen zu können. Denn offenbar richtete er es so ein, daß er, sobald er uns ergreifen wollte, alle leicht in seine Gewalt bekäme. Als ich den Befehl erhielt, nach Kephro zu gehen, fügte ich mich wohlgemut und in Ruhe, obwohl ich die Lage des Ortes nicht kannte, ja kaum den Namen desselben früher gehört hatte. Als mir aber gemeldet ward, daß ich in das Gebiet von Kolluthion übersiedeln solle — ich muß mich hier selbst anklagen —, so wissen die, welche bei mir gewesen, wie mir zu Mute war. Zuerst war ich niedergedrückt und sehr ungehalten. Denn wenn uns auch die Gegenden bekannter und vertrauter waren, so ermangelte der Bezirk, wie man berichtete, der Brüder und rechtschaffener Menschen und war der Belästigung durch die Reisenden und räuberischen Überfällen ausgesetzt. Doch erfuhr ich Trost, da die Brüder mich daran erinnerten, daß der Ort viel näher bei der Stadt läge und daß, so sehr Kephro durch den lebhaften Verkehr mit den Brüdern aus Ägypten uns eine gar mächtige kirchliche Tätigkeit ermöglichte, wir in Kolluthion doch zufolge seiner Stadtnähe öfter den Anblick der wahrhaft geliebten und sehr vertrauten und befreundeten Menschen genießen würden. Diese würden kommen und sich erquicken, und wie in entlegeneren Vororten würden hier und dort Versammlungen stattfinden. Und so geschah es auch.“
Und nach anderem schreibt Dionysius über seine Erlebnisse also: „Germanus rühmt sich seiner vielen Be- S. 334 kenntnisse. Allerdings vermag er vieles zu berichten, was ihm widerfahren ist. Wie viele Leiden könnte er aber von uns aufzählen! Er könnte berichten von Verurteilungen, Konfiskationen, Ächtungen, Güterberaubungen, Ehrenverlusten, von Geringschätzung weltlicher Ehren und Verachtung von Auszeichnungen seitens der Statthalter und des Senates und des Gegenteils davon, von Ertragung von Drohungen, Beschimpfungen, Gefahren, Verfolgungen, Irrsalen, Bedrängnissen und mannigfacher Kränkungen. Solche Leiden widerfuhren mir unter Decius und Sabinus und widerfahren mir noch jetzt unter Ämilianus. Wo aber war Germanus zu sehen? Wer sprach von ihm? Doch will ich von der großen Torheit lassen, in die ich mich des Germanus wegen gestürzt habe,7 und stelle darum die Erzählung der Einzelheiten den Brüdern anheim, die davon wissen.“
In dem Briefe an Dometius und Didymus gedenkt Dionysius der Verfolgung mit diesen Worten: „Es ist überflüssig, die Unsrigen namentlich aufzuzählen; denn ihrer sind viele, und zudem kennt ihr sie nicht. Nur sollt ihr wissen, daß Männer und Weiber, Jünglinge und Greise, Mädchen und alte Frauen, Soldaten und Bürger, jedes Geschlecht und jedes Alter, die einen durch Geißeln und Feuer, die andern durch das Schwert, den siegreichen Kampf gekämpft und die Kronen erlangt haben. Für andere freilich reichte auch eine sehr lange Zeit nicht hin, daß sie würdig erschienen, vom Herrn angenommen zu werden. Zu diesen scheine bis heute ich zu gehören. Er, der sagt:8 ‚Zu einer Zeit, die mir genehm ist, höre ich auf dich, und am Tage des Heiles helfe ich dir’, hat mich nämlich auf die ihm bekannte und gemäße Zeit aufbewahrt. Da ihr denn nach unserer Lage euch erkundigt und über unser Befinden Aufschluß wünscht, so habt ihr gewißlich vernommen, daß uns — mich, Gaius, Faustus, Petrus und Paulus —, als wir von einem Hauptmann und von Beamten und ihren Soldaten und Die- S. 335 nern gefangen abgeführt wurden, herzugekommene Mareoter gegen unseren Willen und ohne daß wir folgen wollten, mit Gewalt abfingen und wegschleppten. Ich, Gaius und Petrus sind nunmehr, von den anderen Brüdern getrennt, allein an einem einsamen und öden Orte Libyens eingeschlossen, drei Tagereisen von Parätonium entfernt.“
Bald darauf fährt Dionysius fort: „Um die Brüder unbemerkt zu besuchen, haben sich die Priester Maximus, Dioskur, Demetrius und Lucius in der Stadt verborgen, ebenso die Diakonen Faustus, Eusebius und Chäremon, welche die auf der Insel gestorbenen Brüder allein noch überlebt haben, während die bei der Welt allzu bekannten Priester Faustinus und Aquilas in Ägypten umherirren. Dem Eusebius hatte Gott von Anfang an die Kraft und die Befähigung gegeben, den eingekerkerten Bekennern unerschrocken beizustehen und ohne Rücksicht auf die Gefahren die Leichname der siegreichen und seligen Märtyrer zu bestatten. Denn der Statthalter steht bis jetzt nicht davon ab, die Vorgeführten, wie ich schon sagte, teils grausam hinzurichten, teils durch Foltern zu zerreißen oder in Kerkern und Ketten verschmachten zu lassen. Und er gibt seine Weisungen, daß niemand sie besuche, und forscht genau nach, ob nicht jemand sich bei ihnen zeige. Dennoch tröstet Gott die Heimgesuchten durch die Bereitwilligkeit und Ausdauer der Brüder.“
So schreibt Dionysius. Es ist noch zu bemerken, daß Eusebius, den Dionysius als Diakon bezeichnete, bald darauf Bischof von Laodicea in Syrien wurde. Maximus aber, von dem er damals als Presbyter sprach, sogleich nach Dionysius den Dienst an den Brüdern in Alexandrien übernahm, und Faustus, der sich mit ihm seinerzeit durch Bekennermut ausgezeichnet, noch bis in unsere Verfolgung herein lebte und in unseren Tagen sehr alt und hochbetagt durch Enthauptung den Märtyrertod starb.
Soviel über die Geschicke des Dionysius in jener Zeit. S. 336