21. Kap. Die damals herrschende Krankheit.
Kaum grüßte der Friede, da kehrte Dionysius wieder nach Alexandrien zurück. Doch als daselbst von neuem Aufstand und Krieg ausbrach und es ihm unmöglich wurde, mit allen Brüdern in der Stadt als Bischof zu verkehren, da sich diese teils der einen, teils der anderen Partei angeschlossen hatten, wandte er sich wiederum am Osterfeste in einem Schreiben an sie, und zwar wie einer, der in der Fremde weilt, obwohl er in Alexandrien selbst schrieb. In einem anderen Festbrief, den er später an Hierax, einen ägyptischen Bischof, richtete, erwähnt er den damaligen Aufstand in Alexandrien mit folgenden Worten: „Wenn es mich schon Mühe kostet, mit mir selbst zu reden und mit meiner eigenen Seele zu Rate zu gehen, kann man sich da wundern, daß mir der Verkehr mit den Fernerwohnenden, und sei es auch durch Briefe, Schwierigkeiten macht? Selbst mit meinem eigenen Herzen,1 den Brüdern, die mit mir im gleichen Hause wohnen und meine Gesinnung teilen, und mit den Angehörigen der gleichen Kirche kann ich nur brieflich verkehren, und es fällt mir schwer, ihnen die Briefe zuzustellen. Denn leichter wäre es, ins Ausland, ja selbst vom Morgenland ins Abendland zu gelangen, als von Alexandrien nach Alexandrien zu kommen. Die Straße in der Mitte der Stadt ist noch öder und ungangbarer, als es die weite, weglose Wüste gewesen, welche Israel in zwei Generationen durchwandert hat. Und die stillen und ruhigen Häfen gleichen dem Meere, das, sich spaltend und wie von Mauern zurückgehalten, den Israeliten bequemer Weg war, die Ägypter aber, sobald sie den Pfad betreten, in seinen Fluten versenkte. Erscheinen sie doch oft infolge der darin verübten Morde wie ein rotes Meer. Der Fluß aber, der an der Stadt vorbeifließt, erschien bald trockener als die wasserlose Wüste und öder als die Wildnis, bei deren Durchwanderung Israel so sehr Durst gelitten, daß es gegen Moses murrte, und daß der, welcher allem Wunder S. 342 zu wirken vermag, ihnen aus schroffem Felsen Trank entströmen ließ. Bald wiederum schwoll er so sehr an, daß er das ganze umliegende Land, Wege und Felder, überschwemmte und die Wasserfluten der noachischen Zeit zu bringen drohte. In seinem Lauf ist er stets mit Blut, mit Ermordeten und Ertrunkenen beschmutzt, so wie er einst unter der Hand des Moses für Pharao geworden, da er zu Blut ward und stank.2 Und wo gäbe es ein ander Wasser, das da reinigte das Wasser, das alles reinigt? Wie vermöchte der weite, für Menschen unermeßliche Ozean, wenn er sich darüber ergießen würde, dieses bittere Meer (des Elends) wegzuschwemmen? Oder wie könnte der große Strom, der aus Eden fließt, selbst wenn er die vier Quellflüsse, in die er geteilt, zu dem einen Gehon einigte, das Mordblut abwaschen? Oder wann wird die von den überall aufsteigenden schlechten Dünsten verfinsterte Luft klar werden? Die Dämpfe der Erde, die Winde des Meeres, die Dünste der Flüsse und die Nebel der Häfen sind der Art, daß der Tau sich bildet aus dem Eiter der in allen Eingeweiden faulenden Leichen. Und da wundert man sich und fragt, woher die andauernde Pest, die schweren Krankheiten, die verschiedenartigen Seuchen, das mannigfaltige und häufige Sterben der Menschen kommen und warum die so große Stadt, einschließlich der kleinen Kinder und der ältesten Greise, an Einwohnern nicht mehr die Zahl derer aufweist, die sie vormals als das sog. beginnende Alter3 verpflegte. Dieser Vierzig- bis Siebzigjährigen4 waren seinerzeit so viele, daß ihre Ziffer heute nicht mehr erreicht würde, selbst wenn man die Leute vom vierzehnten bis zum achtzigsten Lebensjahre in das Verzeichnis der öffentlich Verpflegten eintrüge und mitzählte. Und die dem Aussehen nach Jüngsten sind geworden wie Altersgenos- S. 343 sen der einst betagtesten Greise. Obwohl sie sehen, daß das Menschengeschlecht auf der Erde so ständig abnimmt und aufgerieben wird, erzittern sie nicht ob der immer mehr um sich greifenden völligen Vernichtung.