22. Kap. Die Regierung des Gallienus.
Da dem Kriege eine pestartige Krankheit folgte und das Osterfest nahe war, wandte sich Dionysius abermals in einem Schreiben an die Brüder. Darin schildert er die Leiden der unheilvollen Zeit also: „Den Nichtchristen dürfte die gegenwärtige Lage nicht als Festzeit erscheinen. Indessen ist es für sie weder diese noch irgendeine andere Zeit, mag sie nun traurig sein oder als außerordentlich freudig gelten. Jetzt ist alles voll Klagen. Alle trauern, und Wehegeschrei hallt wider in der Stadt wegen der Menge der Toten und derer, die noch täglich sterben. Wie bezüglich der Erstgeburt der Ägypter geschrieben steht, so ‚erhob sich’ auch jetzt ‚ein großes Geschrei; denn kein Haus ist, in dem nicht ein Toter wäre.’1 Und wenn es doch nur ein Toter wäre! Denn viel Schreckliches haben wir zuvor schon erlitten. Zunächst hat man uns vertrieben, und nur wir wurden von allen verfolgt und dem Tode ausgeliefert. Aber gleichwohl begingen wir auch damals unser Fest. Jeder Ort, wo einer zu leiden hatte, ein Feld, eine Wüste, ein Schiff, eine Herberge, ein Gefängnis, wurde für uns zum Festplatz. Das allerfröhlichste Fest aber feierten die vollendeten Märtyrer, die zum himmlischen Mahle geladen wurden. Nach der Verfolgung kamen Krieg und Hunger, die wir gemeinsam mit den Heiden zu tragen hatten. Allein trugen wir all die Schmach, die sie uns zufügten, aber auch an dem, was sie sich selbst gegenseitig antaten und litten, hatten wir Anteil. Dann freuten wir uns wiederum des Friedens Christi, den er uns allein gegeben. Aber sehr kurz war die uns und ihnen gegönnte Ruhepause. Es brach die gegenwärtige Krankheit aus. Für die Heiden ist sie ein Unglück, das alle Schrecken und jede Drangsal übertrifft und, wie einer S. 344 ihrer eigenen Schriftsteller2 erklärte, ‚das einzige ist, was furchtbarer sich einstellte, als wir alle voraussehen konnten’. Für uns jedoch ist sie kein solches Unglück, für uns bedeutet sie vielmehr Erziehung und Prüfung gleich den früheren Drangsalen. Wenn auch die Krankheit uns nicht verschonte, aber ihr ganzer Schrecken zeigte sich doch (nur) bei den Heiden.“ Darauf fährt Dionysius also fort: „Da die meisten unserer Brüder in übermäßiger Liebe und Freundlichkeit sich selbst nicht schonten und füreinander eintraten, furchtlos sich der Kranken annahmen, sie sorgfältig pflegten und ihnen in Christus dienten, starben sie gleich diesen freudigst dahin, angesteckt vom Leide anderer, die Krankheit der Mitmenschen sich zuziehend, freiwillig ihre Schmerzen aufnehmend. Viele mußten sogar, nachdem sie die Kranken gepflegt und wiederhergestellt hatten, selber sterben, den Tod, der jenen bestimmt war, auf sich selber übertragend. Da handelten sie tatsächlich nach der beim Volke üblichen, stets nur als Höflichkeitsform angesehenen Redensart: ‚weggehend als ihr Auswurf’. Auf solche Weise schieden aus dem Leben die Tüchtigsten unserer Brüder, Priester, Diakonen und Laien. Sie genießen so hohe Ehre, daß ihr Sterben, das durch ihre große Frömmigkeit und ihren starken Glauben veranlaßt ward, in keiner Weise hinter dem Tode der Märtyrer zurücksteht. Wenn sie die Leiber der Heiligen auf ihre Arme und ihren Schoß genommen, ihnen die Augen zugedrückt und den Mund geschlossen, sie auf die Schulter geladen und unter herzlichen Umarmungen nach Waschung und Bekleidung bestattet hatten, erfuhren sie kurz darauf dieselben Dienstleistungen, wobei die Überlebenden stets an Stelle derer traten, die vorausgegangen. Ganz anders war es bei den Heiden. Sie stießen die, welche anfingen krank zu werden, von sich, flohen vor ihren Teuersten, warfen sie halbtot auf die Straße und ließen die Toten unbeerdigt im Schmutze liegen. So suchten sie der Ausliefe- S. 345 rung an den Tod und der Gemeinschaft mit ihm zu entgehen, was jedoch trotz aller Bemühungen nicht leicht war.“
Nach diesem Briefe schickte Dionysius, nachdem der Friede hergestellt war in der Stadt, an die Brüder Ägyptens wiederum ein Festschreiben und verfaßte außer diesem noch andere Briefe. Vorhanden ist auch noch ein Schreiben über den Sabbat und ein anderes über die Erziehung. In einem weiteren Briefe an Hermammon und an die Brüder in Ägypten erzählt er vieles über die Schlechtigkeit des Decius und seiner Nachfolger und gedenkt des Friedens unter Gallienus.