1. Kap. Die Lage vor der Verfolgung unserer Tage.
Es übersteigt unsere Kräfte, in würdiger Weise zu schildern die Größe und Art der Ehre und Freiheit, die das durch Christus der Welt verkündete Wort der Frömmigkeit gegen den Gott des Alls vor der Verfolgung unserer Tage bei allen Menschen, Griechen wie Barbaren, genossen hat. Beweise hierfür dürften sein die Gunstbezeigungen der Herrscher gegenüber den Unsrigen. Sie betrauten sie sogar mit der Leitung von Provinzen und entbanden sie dabei gemäß dem großen Wohlwollen, das sie gegen die Lehre hegten, von der ihre Gewissen beängstigenden Opferpflicht. Was soll man von den Leuten in den kaiserlichen Palästen und den obersten Beamten sagen? Diese ließen es zu, daß die Hofleute, Frauen, Kinder und Sklaven offen in Wort und Tat den Glauben bekannten, und gestatteten ihnen geradezu, sich ihrer Glaubensfreiheit zu rühmen. Sie bevorzugten sie in besonderer Weise gegenüber den Mitbediensteten.
Dieser Art war der bekannte Dorotheus, der unter allen die freundlichste Gesinnung und das größte Vertrauen ihnen entgegenbrachte und darum bei ihnen in höheren Ehren stand als Würdenträger und Statthalter. Und an seiner Seite der berühmte Gorgonius und alle die Männer, die gleich ihnen des Wortes Gottes wegen derselben Ehrung gewürdigt wurden. Dazu konnte man sehen, welch liebevoller Aufnahme sich die Leiter der einzelnen Kirchen bei allen Zivil- und Militärbeamten erfreuten. Wer gar vermöchte zu schildern jene tausendköpfigen Versammlungen und die Mengen derer, die Stadt für Stadt zusammentraten, und die herrlichen Zusammenkünfte in den Bethäusern? Da infolge hiervon die alten Gebäude nicht mehr genügten, erbaute man in S. 373 allen Städten ganz neue und geräumige Kirchen. Dieses mähliche Vorwärtskommen und dieses tägliche Zunehmen an Stärke und Größe konnte kein Neid verhindern und kein böser Dämon beschwören oder durch menschliche Hinterlist aufhalten, solange die göttliche und himmlische Hand ihr Volk als dessen würdig schützte und schirmte.
Da aber infolge zu großer Freiheit unser Sinn zu Stolz und Lässigkeit sich kehrte, indem der eine den andern beneidete und beschimpfte und wir uns, wenn es sich so traf, im Wortstreit wie mit Schwert und Speer bekämpften, Vorsteher mit Vorstehern zusammenstießen und Laien gegen Laien sich erhoben, niedrigste Heuchelei und Verstellung den höchsten Grad ihrer Bosheit erreichten, da begann das göttliche Strafgericht in der ihm eigenen schonenden Weise — die Versammlungen durften noch zusammentreten — ruhig und gelinde seines Aufsichtsamtes zu walten. Die Verfolgung begann mit den Brüdern, die im Heere standen. Blind wie wir waren, mühten wir uns nicht, wie wir die Gottheit freundlich und gnädig stimmen könnten, glaubten vielmehr gleich manchen Heiden, Gott sorge und kümmere sich gar nicht um unsere Angelegenheiten, und häuften Sünde auf Sünde. Und die unsere Hirten schienen, schoben das Gesetz der Gottesfurcht beiseite und entbrannten in Eifersüchteleien gegeneinander. Streit und Drohung und Neid und gegenseitigen Groll und Haß zu mehren, war all ihr Tun. Leidenschaftlich verteidigten sie gleich weltlichen Herrschern ihre Machtgier, Da „umwölkte — wie Jeremias sagt1 — der Herr in seinem Zorne die Tochter Sion und warf vom Himmel herab die Herrlichkeit Israels und gedachte am Tage seines Zornes nicht mehr des Schemels seiner Füße. Auch versenkte der Herr alle Anmut Israels und zerstörte alle seine Zäune“. „Er vernichtete — nach dem, was vorausverkündet ist in den Psalmen2 — den Bund seines Knechtes und entweihte S. 374 — durch die Zerstörung der Kirchen — zur Erde sein Heiligtum und zerstörte alle seine Zäune und nahm seinen Festungswerken die Kraft. Die Haufen des Volkes, alle, die des Weges kamen, plünderten es, und überdies wurde es den Nachbarn zum Spott. Er erhob die Rechte seiner Feinde und wendete ab die Hilfe seines Schwertes und nahm sich im Kriege nicht mehr seiner an. Er nahm ihm seine Reinigung und stürzte seinen Thron zur Erde und verkürzte die Tage seiner Zeit und goß zu all dem Schmach über ihn aus.“