4. Kap. Die Religion, die er alle Völker gelehrt, warnichts Neues und nichts Fremdes.
Diese Bemerkungen mußte ich der folgenden geschichtlichen Darstellung vorausschicken, damit niemand meine, unser Heiland und Herr Jesus Christus gehöre nur der neueren Geschichte an, weil er in der Zeit im Fleische erschienen ist.Damit man aber auch nicht seine Lehre für neu und fremd halte, gerade als wäre sie von einem Neuling aufgestellt, der sich in nichts von den übrigen Menschen unterscheidet, darum wollen wir kurz auch hierüber berichten. Als vor nicht langer Zeit das Erscheinen unseres Erlösers Jesus Christus allen Menschen Licht brachte, da trat sofort — es war zu der im geheimnisvollen Ratschlüsse (Gottes) vorausbestimmten Zeit — ein bekanntlich neues, nicht kleines, nicht schwaches, auch nicht irgendwo in einem Winkel der Erde hausendes Volk auf, ein Volk, welches das stärkste und gottesfürchtigste von allen Völkern ist und welches insofern unausrottbar und unbesiegbar ist, als es für immer den Schutz Gottes genießt; es ist jenes Volk, das zu seiner Ehre überall nach Christus genannt wird. Einer der Propheten, der mit dem Auge göttlichen Geistes die Zukunft vorausschaute, war über dieses Volk so entzückt, daß er in die Worte ausbrach: „Wer hat solches gehört? Oder wer hat solches gesagt? Dauerten die Geburtswehen für ein Land nur einen einzigen Tag? Und wurde ein Volk S. 31 auf einmal geboren?“1 Der gleiche Prophet deutet auch im voraus den Titel des Volkes an mit den Worten: „Diejenigen, welche mir dienen, werden einen neuen Namen führen, der auf der Erde gepriesen sein wird.“2 Doch wenn wir auch sicher Neulinge sind und die wirklich neue Bezeichnung „Christen“ noch nicht lange bei allen Völkern bekannt ist, so ist doch, wie wir im folgenden nachweisen wollen, unser Leben und die Art unseres Auftretens nicht erst vor kurzem von uns durch religiöse Bestimmungen festgelegt, sondern gewissermaßen schon von Beginn des Menschengeschlechtes an durch natürliche Erwägungen der alten Gottesfreunde bestimmt worden. Das hebräische Volk ist nicht neu, sondern eben wegen seines Alters allgemein geachtet und allgemein bekannt. Seine Überlieferungen und seine Schriften erwähnen nun Männer aus alter Zeit, zwar nur wenige an Zahl, aber ausgezeichnet durch Frömmigkeit, Gerechtigkeit und alle übrigen Tugenden: einige vor der Sintflut, andere nach derselben, von den Söhnen und Nachkommen des Noe den Abraham, den die Söhne der Hebräer als ihren Führer und Stammvater feiern. Würde jemand alle diese durch Gerechtigkeit ausgezeichneten Männer, von Abraham an bis hinauf zum ersten Menschen, als Christen, wenn auch nicht dem Namen, so doch der Tat nach erklären, so dürfte er der Wahrheit nicht widersprechen. Denn wenn der Name Christ sagen will, daß der Christ sich infolge der Erkenntnis Christi und infolge seiner Lehre durch Klugheit und Gerechtigkeit, durch Mäßigkeit und Standhaftigkeit sowie durch das fromme Bekenntnis des einen und einzigen, über alle herrschenden Gottes hervortun soll, dann sind die erwähnten Männer in all diesem nicht weniger eifrig gewesen als wir. So wenig wie wir dachten auch jene an eine körperliche Beschneidung oder an eine Beobachtung der Sabbate. Auch kümmerten sie sich nicht, so wenig wie wir jetzigen Christen, um Speisegebote und S. 32 Speiseverbote, welche zuallererst Moses für die späteren Geschlechter aus symbolischen Gründen erlassen hatte. Genau kannten sie auch den Christus Gottes; denn wie gezeigt wurde, erschien er dem Abraham, offenbarte sich dem Isaak, sprach mit Israel und verkehrte mit Moses und den späteren Propheten. Man kann daher finden, daß jene gottbefreundeten Männer sogar des Namens Christus gewürdigt worden waren. Denn es heißt von ihnen: „Vergreifet euch nicht an meinen Christussen und versündiget euch nicht an meinen Propheten!“3 Die Art der Gottesverehrung, welche vor nicht langer Zeit durch die Lehre Christi allen Völkern verkündet wurde, muß man also offenbar für die erste, die allerälteste und ursprünglichste, schon von den Gottesfreunden zur Zeit Abrahams geübte ansehen. Wenn man einwendet, Abraham habe doch später den Befehl zur Beschneidung erhalten, so ist zu bedenken, daß deutlich von ihm bezeugt wird, er sei schon vor der Beschneidung infolge seines Glaubens gerechtfertigt worden; denn das göttliche Wort sagt: „Abraham glaubte Gott, und es wurde ihm zur Gerechtigkeit angerechnet.“4 Da Abraham schon vor der Beschneidung gerechtfertigt war, empfing er von dem sich ihm offenbarenden Gott, d. i. von Christus, dem Logos Gottes, bezüglich derer, welche später in ähnlicher Weise wie er gerechtfertigt werden sollten, wörtlich folgende Offenbarung: „Und in dir werden alle Stämme der Erde gesegnet werden“5 und „Er wird werden zu einem großen und zahlreichen Volke, und in ihm werden gesegnet sein alle Völker der Erde.“6 Offenbar sind diese Worte an uns in Erfüllung gegangen. Wie Abraham, da er den Götzendienst und die Verkehrtheit seiner Ahnen verlassen hatte und da er den einzigen, allmächtigen Gott bekannte und ihn mit Werken der Tugend, nicht aber durch die Zeremonien eines Gesetzes, das Moses erst später gegeben hatte, verehrte, durch S. 33 den Glauben an den ihm erschienenen Logos Gottes, den Christus gerechtfertigt und ihm in dieser Eigenschaft erklärt worden war, daß in ihm alle Stämme der Erde und alle Völker gesegnet werden sollen, so wird augenfällig Gott nach Abrahams Art in der Jetztzeit nur von Christen auf dem ganzen Erdkreise durch Werke, die alle Worte übertreffen, verehrt. Was soll uns also noch weiterhin abhalten, zu gestehen, daß wir die wir von Christus abstammen, und die Gottesfreunde der Vorzeit das gleiche Leben und dieselbe Art der Gottesverehrung haben? Somit haben wir den Beweis erbracht, daß die durch die Lehre Christi geforderte Art der Gottesverehrung nicht neu und fremd, sondern, um die Wahrheit zu sagen, die erste, die einzige, die wahre ist. So viel hierüber.
