30.
David sagt: „Es sprach der Herr zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich lege deine Feinde zum Schemel deiner Füße“1 . Er sagt: „Es sprach der Herr zu meinem Herrn“; denn damals hatte er die menschliche Natur noch nicht angenommen, um derentwillen er sagen mußte : „Mein Gott“ und „euer Gott.“ „Siehe die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären, und du wirst seinen Namen Emmanuel nennen, das heißt: der Gott mit uns“2 . Auch an dieser Stelle konnte noch nicht gesagt werden: „Mein Gott“ und „euer Gott“. Und wieder lesen wir: „Und du Bethlehem, Haus des Stammes Ephrata, du bist nicht zu gering, um zu sein unter Judas Tausenden; denn aus dir wird hervorgehen der, welcher zum Herrscher sein wird in Israel; und sein Ausgang ist von Anbeginn, von den Tagen der Ewigkeit her“3 ; oder nach den anderen Handschriften: „Und du Bethlehem, du bist nicht die geringste unter den Fürstenstädten Judas; denn aus dir wird herrorgehen der Anführer, und er wird mein Volk S. 52weiden.“ Auch damals war noch nicht die Zeit zu sagen: „Mein Gott“ und „euer Gott“. Als aber die Prophetie des Jeremias erfüllt war und ingleichen die des Isaias, daß aus der Jungfrau der Logos geboren werden und menschliche Natur annehmen sollte, wie Jeremias sagt: „Und er ist ein Mensch, und wer wird ihn kennen lernen?“4 , nachdem er die menschliche Natur angenommen und ohne männlichen Samen aus der Gottesgebärerin Maria das heilige Fleisch zu sich emporgebildet hatte5 , gemäß jenem Worte der Schrift: „Gebildet aus dem Weibe“6 , — also um unseres Loses willen unser Los auf sich genommen hatte, — da erst sagte er: „Mein Gott.“ Weil er aber seiner Natur nach von Ewigkeit her wirklicher Gottessohn ist, sagt er: „Mein Vater“, „euer Vater“ aber wegen des Gnadenverhältnisses, in das er seine Jünger versetzte; „euer Vater“ wegen des naturhaften Verhältnisses seiner Jünger zu seiner und seines ewigen Vaters Gottheit. Denn er war der Gott der Jünger. Vater des Herrn [ist Gott] der Natur nach, Vater der Jünger der Gnade nach. Der Gott des Sohnes aber ist der Vater, insoferne der Sohn Mensch ist, sein Vater aber wegen seiner ewigen und unbegreiflichen, wahren Sohnschaft, weil Gott in Wahrheit sein Vater ist, da er ihn gezeugt hat vor aller Zeit, ohne Anfang, seiner Gottheit nach. Gott also mußte er ihn nennen wegen des Heilswerkes, das er unsertwegen ausführte, er, der immer beim Vater war, der anfangslos erzeugte Logos, im Fleische aber von Maria, in den letzten Tagen geboren dem Fleische nach aus Maria, eben der heiligen Jungfrau durch den Hl. Geist.