KAPITEL VIII.
Wie nun? [frug Basilius.] Sollen wir denn an die Spitze der Kirchenverwaltung Leute stellen, die mitten in der Welt sich bewegen, deren Sorge auf irdische Dinge gerichtet ist, die an Zänkereien und Schimpfereien gewöhnt sind, die sich durch tausendfache Schlauheit hervortun und ein üppiges Leben zu führen verstehen?
Gott bewahre, mein lieber Freund, erwiderte ich. An solche Leute darf man nicht einmal denken, wenn es sich um die Auswahl von Priestern handelt, sondern nur darauf soll man achten, ob einer im Verkehr und Umgang mit allerlei Menschen seine Reinheit, Seelenruhe, Heiligkeit, Selbstbeherrschung, Nüchternheit und die übrigen Tugenden, die den Einsiedlern eignen, unversehrt und unerschüttert zu bewahren vermag oder vielmehr hierin die Einsiedler selbst noch übertrifft, Wer mit vielen Fehlern behaftet ist, dieselben aber durch ein einsames Leben zu verbergen und dadurch, daß er mit niemanden Umgang pflegt, sie unwirksam zu machen versteht, der wird, wenn er in die Welt zurückkehrt, keinen anderen Gewinn davon haben, als daß er der Lächerlichkeit anheim fällt, ja er wird noch schlimmeren Gefahren sich aussetzen. Es hat nicht viel gefehlt, so wäre das auch mir begegnet, wenn nicht der Schutz Gottes den Feuerbrand eiligst von meinem Haupte abgewendet hätte. Denn wer sich in solcher Lage befindet1, kann nicht unbemerkt bleiben, wenn er in die Öffentlichkeit tritt, sondern alles an ihm wird dann der genauesten Prüfung unterworfen. Wie der Stoff der Metalle im Feuer erprobt wird, so ist das geistliche Amt2 der eigentliche Prüfstein zur Beurteilung der einzelnen Menschenseelen: ist einer zornig, engherzig, ehrgeizig, prahlerisch oder was sonst immer, alle Gebrechen enthüllt diese Prüfung und deckt sie rasch offen auf; ja S. 235 sie entblößt sie nicht bloß, sondern sie verschlimmert und vergrößert sie noch. Wie die leiblichen Wunden schwerer heilen, wenn man sie des öfteren betastet, so werden auch die Leidenschaften der Seele viel heftiger, wenn man sie anstachelt und reizt. Es werden dadurch die damit Behafteten zu noch häufigeren Vergehungen gedrängt. Es wird der Unachtsame zur Ehrsucht, zur Prahlerei, zur Geldgier verleitet, in ein weichliches, untätiges und leichtfertiges Leben hineingestürzt und allmählich in noch schlimmere, daraus entspringende Übel.
Gibt es doch in der Welt gar viele Gelegenheiten, welche die Gewissenhaftigkeit der Seele zur Erschlaffung zu bringen und ihren geraden3 Lauf zu hemmen vermögen. Dahin gehört zu allererst der Umgang mit den Frauen.
Der Vorsteher, welcher um die ganze Herde sich zu kümmern hat, darf nicht über der Fürsorge für das männliche Geschlecht das weibliche vernachlässigen, welch letzteres gerade wegen seiner leichten Geneigtheit zur Sünde einer viel größeren Sorgfalt bedarf. Deshalb muß der, dem das Bischofsamt zur Verwaltung anvertraut ist, wenn auch nicht in höherem, so doch in gleichem Maße der Wohlfahrt der Frauen seine Hirtensorge zuwenden. Denn es ist seine Pflicht, sie zu besuchen, wenn sie krank, sie aufzumuntern, wenn sie traurig sind, sie zu tadeln, wenn sie leichtfertig dahinleben, und ihnen beizustehen, wenn sie Not leiden. Bei diesen Gelegenheiten kann der böse Feind viele Wege finden, um sich heimlich einzuschleichen, wenn man sich nicht mit sorgfältiger Wachsamkeit schützt. Denn das Auge des Weibes berührt und beunruhigt unsere Seele, und zwar nicht bloß das Auge des zügellosen, sondern auch des züchtigen Weibes; Schmeicheleien erweichen, Ehrenbezeigungen machen zum Sklaven. Und so wird die hochaufwallende Liebe, die doch die Quelle aller Güter ist, für jene, welche sie nicht richtig anzuwenden verstehen, die Ursache unzähliger Übel.
Schon unablässige Sorgen schwächen die Schärfe unseres Verstandes und machen unseren Geistesflug S. 236 schwerfälliger als Blei. Kommt gar noch leidenschaftliche Erregung hinzu, so ist die ganze Seele wie mit Rauch angefüllt. Wie wäre es möglich, alle die Kränkungen zu schildern, die zu seiner [des Bischofs] Betrübnis4 nicht ausbleiben, die übermütige und boshafte Behandlung, die Tadelsucht, wie sie von Hochstehenden und Niedrigen, von Verständigen und Unverständigen, ausgehen?
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Wer nämlich mit vielen Fehlern behaftet aus der Einsamkeit in die Welt zurückkehrt und ein geistliches Amt übernimmt. ↩
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Zu „ἡ τοῦ κλήρου“ ist wohl zu ergänzen das vorausgehende „ὕλη“. ↩
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„τὸν ἐπ᾽ εὐθείας δρόμον“. In manchen Handschriften heißt es: „τῆς ἐπιθυμίας“ oder „ἐπὶ θεόν“. ↩
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Nairn, Seltmann, Bengel lesen ,,ἐκ τῆς λύπης βλάβας“, während in älteren Ausgaben, auch bei Migne, „τὰς λοιπὰς βλάβας“ steht. ↩