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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) Epistula ad Innocentium papam et ad Olympiadem Briefe an Olympias und Papst Innocentius
An Olympias
Sechster Brief.

2. Das böse Gewissen ist eine große Qual; Das erkenne an den Brüdern Josephs und an Judas!

Der Sohn Jakobs z. B., der dem Vater gesagt hatte, S. 559 ein wildes Thier habe den Joseph verschlungen, der so frevelhafte Komödie gespielt und durch dieses Märchen den Brudermord zu verheimlichen versucht hatte, der hat damals allerdings den Vater getäuscht, aber sein Gewissen hat er nicht getäuscht noch zur Ruhe gebracht. Es blieb ihm vielmehr als Feind gegenüberstehen, schrie ihm fortwährend zu und ließ sich niemals den Mund stopfen. Nachdem nämlich darauf eine lange Zeit verflossen war, gerieth er einmal in Gefahr, die Freiheit und sogar das Leben zu verlieren. Vor dem Vater hatte er sein Verbrechen geleugnet, hatte es keinem andern Menschen verrathen; jetzt war Niemand da, der ihn verklagt oder überwiesen oder zum Bekenntniß gedrängt oder an jenes heuchlerische Spiel erinnert hätte; da hat er folgende Worte gesprochen, zum Beweis, daß der Ankläger in dem Gewissen in dieser langen Zeit nicht zum Schweigen gebracht und nicht begraben war. „Ja“, sagte er, „wir sind in Sünden wegen unseres Bruders, als er uns flehentlich bat und wir seine Betrübniß und den Kummer seines Herzens für Nichts anschlugen. Und jetzt wird sein Blut von uns gefordert.“1 Gleichwohl war es ein anderes Verbrechen, das ihm zur Last gelegt wurde. Wegen Diebstahls wurde er gerichtet. Er sollte einen goldenen Becher entwendet haben; deßhalb war er vor Gericht gestellt. Weil er sich aber nichts dergleichen bewußt war, machte ihm Das keinen Schmerz, und darum sagte er nicht, Das treffe ihn wegen desjenigen Verbrechens, wofür er gerichtlich belangt und in Fesseln geschlagen war; aber für jenes andere Verbrechen, dessen ihn Niemand beschuldigte, wofür Niemand Rechenschaft forderte, Niemand ihn vor Gericht zog, ja wovon Niemand auch nur wußte, — dafür tritt er selbst als sein eigener Kläger und Zeuge auf. Denn das böse Gewissen überwältigte ihn, und er, der so ganz ohne Furcht und ohne Erbarmen das Blut seines Bruders vergossen hatte, er wurde sogar mitleidig, S. 560 hielt der Schaar seiner Genossen die Blutschuld vor und schilderte treu und anschaulich den hohen Grad gefühlloser Rohheit, der dabei zu Tage getreten war: „als er uns flehentlich bat und wir seine Betrübniß und den Kummer seines Herzens für Nichts anschlugen.“ Es hätte schon, will er sagen, die Stimme der Natur hinreichen sollen, uns zu erweichen und zum Mitleid zu bewegen. Nun aber vergoß er überdieß noch Thränen und begann flehentlich zu bitten, „und auch so vermochte er uns nicht umzustimmen, sondern wir kehrten uns nicht an seine Betrübniß und den Kummer seines Herzens.“ Deßhalb, will er sagen, sind wir vor dieses Gericht gekommen, deßhalb stehen wir in Gefahr, daß es uns an Blut und Leben geht, weil auch wir eine Blutschuld auf uns geladen haben.

So hat auch Judas die Vorwürfe seines Gewissens nicht ertragen können; darum eilte er, einen Strick zu ergreifen, und machte durch Erdrosseln seinem Leben ein Ende. Als er jenen schändlichen Vertrag zu schließen wagte, wo er sagte: „Was wollt ihr mir geben, und ich will ihn euch verrathen?“2 da fiel es ihm nicht ein, sich vor denen, die es hörten, zu schämen, daß er als Jünger solche Pläne gegen seinen Meister schmiedete; und in den Tagen, die inzwischen [bis zur Ausführung des Verbrechens] vergingen, ward er nicht von innerer Pein gequält. Gleichsam trunken in dem zufriedenen Gefühl gesättigter Habsucht empfand er die Anklage des Gewissens nicht besonders heftig. Nachdem er aber das Verbrechen begangen und das Geld erhalten hatte, als die Freude über den Gewinn von ihm gewichen und die innere Anklage wegen der Missethat recht im Gange war, da ging er aus eigenem Antrieb hinweg, — Niemand brauchte ihn zu zwingen, zu nöthigen oder zu ermahnen, — und er warf das Geld denen hin, die es gegeben hatten, und er bekannte sein Vergehen, daß Jene S. 561 es selbst hörten: „Ich habe gesündigt, indem ich unschuldiges Blut vergossen.“3 Er konnte nämlich die Vorwürfe des Gewissens nicht ertragen. Denn so geht es mit der Sünde: ehe sie vollführt ist, macht sie den Menschen, dessen sie sich bemächtigt hat, wie trunken; wenn sie aber vollbracht und vollendet ist, dann ist unter der Hand diese Freude entwichen und erloschen; dann steht unverhüllt der Ankläger da; und das Gewissen macht den Scharfrichter, peinigt den Verbrecher; verhängt über ihn die härtesten Strafen und lastet auf ihm schwerer als jedes Bleigewicht.


  1. I. Mos. 42, 21. 22. ↩

  2. Matth. 26, 15. ↩

  3. Matth. 27, 4. ↩

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