4.
Wir kommt es aber, dass Lukas sagt, der Teufel habe jede Art von Versuchung erprobt. Ich glaube, dadurch, dass er die hauptsächlichsten Versuchungen nannte, hatte er alle genannt, da ja auch die anderen in diesen mit inbegriffen sind. Denn die Laster, die tausend andere Sünden im Gefolge haben, sind: dem S. 217Bauche dienen, dem Ehrgeiz nachgehen, der Geldgier frönen. Das wusste denn auch dieser Unselige, und brachte darum die stärkste aller Versuchungen zuletzt, die Gier nach immer größerem Besitz. Es war schon von allem Anfang an seine Absicht gewesen, mit ihr zu kommen, doch sparte er sie bis zuletzt, da sie stärker ist, als alle anderen. Das ist nämlich seine Hauptregel im Kampfe, das, was einen am ehesten zu Fall zu bringen verspricht, erst zuletzt ins Feld zu führen. So hatte er es auch mit Job gemacht. Er beginnt darum auch hier mit dem, was ungefährlicher und weniger zugkräftig zu sein scheint und geht dann erst zu stärkeren Mitteln über. Wie müssen wir es also anstellen, um da die Oberhand zu gewinnen? Wir müssen tun, was Christus uns gelehrt, d.h. zu Gott unsere Zuflucht nehmen, und uns auch im Hunger nicht überwältigen lassen, sondern auf den vertrauen, der auch durch sein Wort ernähren kann, und nicht mit dem Guten, das wir empfangen, dessen Geber versuchen. Begnügen wir uns vielmehr mit der Ehre, die unser im Himmel wartet und verachten wir die, so von Menschen kommt. Auch sollen wir in allem das zurückweisen, was über das notwendige Maß hinausgeht. Denn nichts bringt uns so leicht unter die Gewalt des Teufels, als Habsucht und Geiz. Das können wir auch jetzt im täglichen Leben beobachten. Auch jetzt gibt es ja noch Leute, die sagen: Alles das werden wir dir geben, wenn du niederfällst und uns anbetest. Das sind Leute, die ihrer Natur nach zwar Menschen, in der Tat aber Werkzeuge des Teufels geworden sind. Denn auch damals machte sich der Teufel nicht bloß selbst, sondern auch durch andere an den Herrn heran. Das lässt uns auch Lukas erkennen, wenn er sagt: „Bis auf weiteres ließ er1 von ihm ab“2 ; er gibt damit zu verstehen, dass er ihn später durch seine eigenen Helfershelfer versuchte.
V.11: „Und siehe, es kamen Engel herzu und dienten ihm.“
Solange die Versuchung gedauert hatte, wollte der Herr nicht, dass die Engel erschienen, um nicht durch S. 218sie den Gegner zu verscheuchen; nachdem er aber den Teufel auf der ganzen Linie geschlagen und in die Flucht gejagt, da erst erscheinen die Engel. Daraus sollst du erkennen, dass auch deiner nach deinen Siegen über den Teufel die Engel harren, die dir Beifall zollen und überall dein Geleite bilden. So haben auch den Lazarus Engel abgeholt, nachdem er durch das Feuer der Armut, des Hungers und jeglicher Entbehrung hindurchgegangen. Wie ich nämlich schon früher sagte, weist uns hier Christus auf viele Dinge hin, die uns selbst einmal zuteil werden sollen. Da also dies alles um deinetwillen geschehen ist, so gib dir auch deinerseits Mühe zu siegen, wie er. Und sollte je einer von diesen Dienern und Gesinnungsgenossen des Teufels sich dir nahen, dich verhöhnen und sagen: Wenn du wirklich so bewundernswert bist und groß, so versetze diesen Berg, dann lass dich nicht aus der Ruhe und Fassung bringen; antworte ihm ganz gelassen mit den Worten des Herrn: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.“ Und wenn dir der andere Ruhm und Macht anbietet und unermeßlichen Reichtum, und dafür verlangt, du sollst ihn anbeten, so zeige dich auch dann wieder standhaft. Der Teufel hat ja das gleiche nicht bloß bei demjenigen getan, der unser aller Herr ist; er versucht die gleichen Künste auch tagtäglich bei jedem einzelnen Diener dieses Herrn, und das nicht bloß auf Bergeshöhen oder in der Einsamkeit, und nicht nur in eigener Person, sondern mitten in den Städten, auf offenem Marktplatz, in öffentlichen Gebäuden, und durch unsere eigenen Mitmenschen!
Was haben wir also unter diesen Umständen zu tun? Dem Teufel niemals Glauben schenken, niemals auf ihn hören, seine Schmeicheleien verabscheuen, und je größere Dinge er verheißt, um so entschiedener ihm den Rücken kehren. Hat er ja doch auch die Eva gerade in dem Augenblick zu Fall gebracht und ihr den größten Schaden zugefügt, da er ihr die größten Hoffnungen gemacht hatte. Er ist eben ein unversöhnlicher Feind und hat einen schonungslosen Krieg gegen uns unternommen. Ja wir sinnen lange nicht so viel auf unsere Rettung, als er auf unser Verderben. Jagen wir S. 219ihn also von uns, nicht bloß mit Worten, sondern auch durch Taten und tun wir nichts von dem, was er uns rät; denn eben dann werden wir alles das tun, was Gott gefällt. Der Teufel verheißt uns freilich vieles, aber nicht, um es uns zu geben, sondern um es uns zu nehmen. Er verspricht uns einen Teil von seinem Raube, nur um uns das Himmelreich mit seiner Gerechtigkeit zu stehlen. Die Schätze der Erde breitet er vor uns aus wie Schlingen und Fangnetze, weil er uns um die irdischen wie um die himmlischen Schätze zu bringen sucht. Hienieden will er uns reich machen, damit wir drüben nichts besäßen. Und wenn es ihm mit dem Reichtum nicht gelingt, uns unser himmlisches Erbe zu rauben, so versucht er es auf dem entgegengesetzten Weg der Armut. So hat er es bei Job gemacht. Nachdem er nämlich gesehen, dass ihm der Reichtum nicht schadete, stellte er ihm mit der Armut nach, in der Hoffnung, ihn durch sie zu bezwingen. Gibt es aber etwas Törichteres als das? Denn wer imstande ist, den Reichtum maßvoll zu gebrauchen, der wird noch weit eher die Armut hochherzig ertragen. Wer sein Herz nicht an das hängt, was er hat, der wird auch nach dem nicht verlangen, was er nicht hat. Auch der glückselige Job hat seinerzeit dies nicht getan; vielmehr hat ihm seine Armut nur noch größeren Ruhm verschafft. Sein Hab und Gut konnte der böse Feind ihm nehmen, seine Liebe zu Gott hingegen konnte er ihm nicht bloß nicht nehmen, sondern er bewirkte im Gegenteil, dass sie noch viel stärker wurde, und während er ihn von allem entblößte, erreichte er nur, dass er mit um so höherem Reichtum glänzte. Darum ward auch der Teufel zuletzt ganz ratlos; denn je mehr Wunden er ihm schlug, um so stärker musste er ihn jedesmal nachher sehen. Nachdem er also alle Mittel angewendet und alles versucht hatte, ohne irgend etwas zu erreichen, nahm er zu seiner alten Waffe Zuflucht, d.h. zum Weibe, und unter dem Scheine der Teilnahme schildert er in herzzerreißenden Tönen dessen Unglück, und tut, als bringe er den bekannten verderblichen Rat nur deshalb vor, um ihn von seinen Leiden zu befreien. Aber auch damit richtete er nichts aus. Der bewundernswerte Mann erkannte eben seine S. 220List, und brachte mit großer Klugheit das Weib, aus dem der Teufel redete, zum Schweigen.