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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In Matthaeum homiliae I-XC Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)
Sechzehnte Homilie. Kap V. V.17-26.

9.

Aber auch bei dem bisher Gesagten bleibt der Herr nicht stehen; vielmehr bringt er noch mehr und ganz andere Dinge vor, um zu zeigen, wie hoch er die Tugend der Liebe stellt. Nachdem er mit dem hohen S. 293Rate gedroht, mit dem Gerichte und der Hölle, fügt er noch andere ähnliche Dinge hinzu, indem er also spricht:

V.23: „Wenn du deine Gabe auf dem Altare darbringst, und dich dabei erinnerst, dass dein Bruder etwas wider dich hat,

V.24: so lass deine Gabe vor dem Altare liegen, geh hin, werde zuerst mit deinem Bruder versöhnt und dann komm und bring dein Opfer dar.“

O welche Güte! Welch überströmende Liebe! Der Herr setzt die ihm gebührende Ehre unserer Liebe zum Nächsten hintan! Damit beweist er, dass auch seine früheren Drohungen nicht dem Hass und der Rachsucht entsprungen sind, sondern nur seiner übergroßen Liebe zu uns. Oder was gäbe es doch Wohlwollenderes als diese seine Worte? Die mir erwiesene Anbetung, so sagt er gleichsam, mag unterbrochen werden, wenn nur deine Liebe gewahrt bleibt! Auch das ist ja ein Opfer, dass du dich mit deinem Bruder versöhnst. Darum hat er auch nicht gesagt: nachdem du dein Opfer dargebracht hast, oder: bevor du es darbringst, vielmehr schickt er dich fort zur Versöhnung mit deinem Bruder, während schon die Gabe auf dem Altare liegt und das Opfer seinen Anfang genommen hat. Weder nach vollzogenem Opfer, noch vor dessen Beginn, sondern mitten darin befiehlt er dir dorthin zu eilen! Warum befiehlt er so zu tun; aus welchem Grunde?

Folgende zwei Dinge, glaube ich, wollte der Herr damit andeuten und vorbereiten. Einmal wollte er, wie gesagt, zeigen, dass er das Gebot der Liebe für sehr wichtig erachtet, ja dass er sie für das höchste aller Opfer hält und ohne sie auch das andere nicht annimmt. Zweitens wollte er damit die unabweisbare Pflicht der Versöhnung einschärfen. Wem nämlich befohlen wird, nicht früher sein Opfer darzubringen, als bis er sich versöhnt hat, der wird sich von selbst genötigt fühlen, zu dem Beleidigten hinzueilen und seiner Feindschaft ein Ende zu machen, wenn auch nicht aus Liebe zum Nächsten, so doch, um sein Opfer nicht unvollendet stehen zu lassen. Darum hat der Herr auch alles mit solchem Nachdruck gesagt, und sucht einen solchen noch mit Drohungen und Furcht anzutreiben. S. 294Nach den Worten:„Lass deine Gabe stehen“, bricht er nicht ab, sondern fügt hinzu: „vor dem Altar1 , und gehe fort.“ Auch sagt er nicht einfachhin: „gehe fort“, sondern setzt hinzu: „zuerst, und dann komm und bring dein Opfer dar“. Durch all das zeigt er klar und deutlich, dass diejenigen nicht vor diesen Opfertisch treten dürfen, die gegenseitig Feindschaft im Herzen tragen. Habt also acht, ihr Eingeweihten, die ihr mit Feindschaften im Herzen euch nahet! Und auch die nicht Eingeweihten sollen es sich merken, denn auch auf sie beziehen sich zum Teil diese Worte. Auch sie bringen ja Geschenke und Opfergaben dar, nämlich Gebet und Almosen. Das ist ja auch ein Opfer, wie du vom Propheten hören kannst, der da spricht: „Das Opfer des Lobgebetes wird mich ehren“2 , und ein anderes Mal:„Bringe Gott das Opfer des Lobes dar“3 , und: „Die Erhebung meiner Hände4 ist mein Abendopfer“5 . Wenn du also auch bloß dein Gebet in feindseliger Seelenstimmung verrichtest, so ist es besser, vom Gebete abzulassen, dich mit deinem Bruder zu versöhnen und dann das Opfer des Gebetes darzubringen.

Aus diesem Grunde ist ja das ganze Heilswerk geschehen; darum ist auch Gott Mensch geworden und hat sein ganzes Erlösungswerk vollbracht, um uns die Versöhnung zu bringen. Hier also schickt der Herr den Beleidiger zum Beleidigten; im Gebete6 hingegen führt er den Beleidigten zum Beleidiger zur Aussöhnung. Dort sagt er nämlich: „Verzeihet den Menschen ihre Schulden“7 , hier aber: „Wenn einer etwas gegen dich hat, so gehe hin zu ihm.“ Aber auch hier scheint mir der Herr eher den Beleidigten zum Beleidiger zu senden. Er sagte ja auch nicht: Verssöhne dich mit deinem Bruder, sondern: „Werde versöhnt“; das scheint mehr für den gesagt, der Unrecht begangen hat, während das Ganze S. 295sich an den richtet, dem das Unrecht widerfahren ist. Wenn du nämlich mit jenem versöhnt wirst, will der Herr sagen, so werde auch ich, wegen der Liebe, die du jenem erwiesen, mich gnädig gegen dich zeigen, und du wirst mit aller Zuversicht dein Opfer darbringen können. Wenn du aber immer noch Groll im Herzen trägst, so bedenke, dass ich willig auf mein Recht verzichte, nur damit ihr Freunde werdet; das möge zur Beruhigung deines Zornes dienen. Auch sagte Christus nicht: Wenn dir ein großes Unrecht zugefügt worden, dann lass dich versöhnen, sondern: „Wenn jemand auch nur etwas Geringes wider dich hat“ Er fügte auch nicht hinzu: sei es mit Recht, sei es mit Unrecht, sondern sagt einfach: „Wenn jemand etwas wider dich hat.“ Denn wenn dies auch mit Recht der Fall wäre, so darfst du dennoch deine Feindschaft nicht fortsetzen. Auch Christus konnte ja uns mit vollem Recht zürnen, und trotzdem hat er sich selbst für uns dem Tode überliefert, ohne auf unsere Fehltritte zu achten.


  1. auch der Ort selbst soll ihm Schrecken einflößen ↩

  2. Ps 49,23 ↩

  3. ebd 14 ↩

  4. im Gebet ↩

  5. ebd 140,2 ↩

  6. des Vaterunsers ↩

  7. Mt 6,14 ↩

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