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Works John Chrysostom (344-407) In Matthaeum homiliae I-XC Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)
Dreiundzwanzigste Homilie. Kap. VII, V.1-21.

1.

V.1: "Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet."

Wie soll man also den Sündern keinen Vorwurf machen? Sagt ja doch auch der hl. Paulus ganz dasselbe, oder vielmehr Christus durch den hl. Paulus: "Du, mit welchem Recht richtest du deinen Bruder?" Und: "Du, was schmähest du deinen Bruder?"1 . Und ein anderes Mal: "Du, wer bist du, dass du den Knecht eines anderen richtest"2 . Und wiederum sagt er: "Richtet nicht vor der Zeit, bevor nicht der Herr kommt"3 .Warum sagt aber dann Paulus an einer S. d308 anderen Stelle: "Tadle, weise zurecht, schelte"?4 . Und anderswo: "Tadle die Sünder in Gegenwart aller"5 . Ebenso befahl Christus dem Petrus: "Wohlan! tadle ihn unter vier Augen; wenn er nicht auf dich hört, so ziehe noch einen anderen bei; wenn er aber auch so nicht nachgibt, so melde es auch der Gemeinde"6 . Und so viele stellte der Herr auf, die richten sollten, ja nicht bloß richten, sondern sogar strafen? Denn er befahl ja, denjenigen, der auf alle diese nicht hören wollte, wie einen Heiden und öffentlichen Sünder zu meiden. Ja, wie kommt es, dass er den Aposteln sogar noch die Schlüssel übergeben hat? Denn, wenn sie niemand richten sollten, so hatten sie auch über niemand Autorität, und die Gewalt, zu binden und zu lösen, hatten sie dann umsonst erhalten. Andererseits würde auch, wenn dies wirklich so wäre, eine allgemeine Verwirrung entstehen, in den Kirchengemeinden, in den Städten, in den Familien. Denn wenn der Herr seinen Knecht, die Herrin ihre Magd, der Vater den Sohn und der Freund den Freund nicht mehr richten dürfen, so wird bald das Böse überhandnehmen. Und was sage ich: der Freund den Freund? Wenn wir selbst die Feinde nicht richten, so werden wir nie einer Feindschaft ein Ende machen können, und alles wird darunter und darüber gehen. Welches ist also der Sinn dieser Aussprüche? Geben wir genau acht, damit keiner glaube, die Heilmittel, die zu unserem Besten gegeben sind, und die Gesetze, die uns den Frieden sichern sollen, hätten nur Umsturz und Verwirrung im Gefolge. Der Herr hat ja auch gerade in den folgenden Versen denen, die Einsicht haben, gezeigt, wie vorzüglich sein Gebot ist; er sagte: "Was beachtest du den Splitter im Auge deines Bruders, und den Balken in deinem eigenen Auge siehst du nicht?" Wenn aber viele von den Einfältigen dies noch zu unklar vorkommt, so will ich den Zweifel ganz von vorne an zu lösen versuchen. Wie mir wenigstens scheint, befiehlt der Herr hier nicht einfach, überhaupt S. d309 keine Sünde zu richten, und verbietet dies nicht so ohne weiteres, sondern nur denen, die selbst mit tausenderlei Sünden beladen sind und dennoch andere wegen ganz unbedeutender Fehler beunruhigen. Außerdem glaube ich, dass er auch die Juden hier im Auge hatte, weil diese ihre Mitmenschen in liebloser Weise wegen harmloser und unbedeutender Dinge anklagten, selbst aber ohne Gewissensbedenken die größten Sünden begingen. Das hat er ihnen auch gegen Ende7 vorgeworfen und gesagt: "Ihr legt anderen schwere und unerträgliche Lasten auf, ihr selbst aber wollt sie nicht um Fingerbreite bewegen"8 . Und ein anderes Mal: "Ihr gebt den Zehnten von Münzkraut und Anis; was aber das Schwerere ist am Gesetze, das Gericht, das Erbarmen, Treue und Glaube, das beachtet ihr nicht"9 .

Ich glaube also, der Herr hatte es auch auf diese Art von Juden abgesehen und wollte sie zum voraus mit den Klagen abweisen, die sie später gegen seine Jünger erheben würden. Denn, wenn auch die Jünger keine solchen Sünden begangen hatten, so schienen es doch den Juden schwere Verfehlungen zu sein, wie z.B., wenn man den Sabbat nicht halte10 , mit ungewaschenen Händen esse11 , mit Zöllnern bei Tische sitze12 . Das erwähnt er auch an einer anderen Stelle: "Ihr seihet Mücken und verschlucket Kamele"13 . Indes gibt der Herr damit auch eine allgemein gültige Richtschnur an für diese Dinge. Auch Paulus hat den Korinthern nicht einfachhin geboten, niemand zu richten, sondern nur diejenigen nicht, die ihre Vorgesetzten waren, zumal wo es sich um ganz unerwiesene Voraussetzungen handelt. Er befahl also nicht einfachhin, man solle die Sünder nicht zurechtweisen. Auch traf sein Tadel damals nicht alle ohne Unterschied; er wies nur die Schüler zurecht, die sich solches ihren S. d310 Lehrmeistern gegenüber erlaubten, jene, die unzählige Missetaten auf dem Gewissen hatten und die Unschuldigen verleumdeten. Dasselbe hat nun auch Christus hier gemeint; und zwar hat er es nicht bloß zart angedeutet, sondern hat ihnen ganz ernstlich ins Gewissen geredet und ihnen unerbittliche Strafe in Aussicht gestellt.

V.2: "Denn mit dem Maße, mit dem ihr richtet", sagt er, "werdet ihr selbst gerichtet werden."

Er will damit sagen: Nicht ihn verurteilst du, sondern dich selbst, ziehst dir ein schreckliches Gericht zu und musst einmal genaue Rechenschaft ablegen. Wie also wir den Anfang machen müssen, wenn wir Verzeihung unserer Sünden erlangen wollen, so ist auch bei diesem Gericht das Ausmaß der Strafe in unsere Hand gegeben. Wir sollen eben nicht schmähen und beschimpfen, sondern mahnen; sollen nicht anklagen, sondern zureden; sollen uns nicht in anmaßender Weise zu Richtern aufwerfen, sondern in Liebe zurechtweisen. Denn du überlieferst ja nicht den anderen, sondern doch selbst der schwersten Strafe, wenn du seiner nicht schonst, wo du über seine Verfehlungen richten solltest.


  1. Röm 14,10 ↩

  2. ebd 4 ↩

  3. 1 Kor 4,5 ↩

  4. 2 Tim 4,2 ↩

  5. 1 Tim 5,20 ↩

  6. Mt 18,15-17 ↩

  7. seines Lebens ↩

  8. Mt 23,4 ↩

  9. ebd.23,23 ↩

  10. Mt 12,2 ↩

  11. ebd 15,2 ↩

  12. Lk 5,30 ↩

  13. Mt 23,24 ↩

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