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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In Matthaeum homiliae I-XC Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)
Dreiundzwanzigste Homilie. Kap. VII, V.1-21.

2.

Siehst du, wie diese beiden Gebote gar leicht zu beobachten sind und denen, die sie befolgen, großen Nutzen bringen, aber auch viel Unheil denen, die sie übertreten? Wer seinem Nächsten die Sünden verzeiht, befreit sich selbst noch vor dem anderen von seinen Sünden, ohne dass er sich viel anzustrengen braucht. Wer mit Schonung und Nachsicht die Verfehlungen anderer prüft, sichert sich selbst durch ein solches Urteil überreiche Verzeihung. Wie also? fragst du; wenn jemand einen Ehebruch begeht, soll ich nicht sagen, der Ehebruch sei etwas Schlechtes, und soll den Wollüstigen nicht zurechtweisen? Zurechtweisen ja; aber nicht als Gegner, nicht wie ein Feind Rechenschaft von ihm fordern, sondern tun wie ein Arzt, der die Medizinen verabreicht. Christus sagt ja auch nicht: du sollst den Sünder nicht von der Sünde abhalten, sondern: du sollst nicht richten; das S. d311 heißt: Sei kein bitterer Sittenrichter! Übrigens hat er dies auch, wie schon bemerkt, nicht von wichtigen und verbotenen Dingen gesagt, sondern von solchen, die allem Anscheine nach kaum recht Verfehlungen genannt werden können. Darum sagte er: „Was achtest du den Splitter im Auge deines Bruders?“ So machen es heutzutage viele. Wenn sie einen Mönch sehen, der ein überflüssiges Kleid hat, so halten sie ihm das Gesetz des Herrn vor, während sie doch selber unzählige Räubereien begehen und den ganzen Tag danach trachten, Schätze aufzuhäufen. Wenn sie sehen, dass einer etwas mehr Nahrung zu sich nimmt, so klagen sie ihn voll Bitterkeit an, während sie selber sich jeden Tag berauschen und ein schwelgerisches Leben führen, ohne zu beachten, dass sie, abgesehen von ihren eigenen Sünden, auch dadurch noch das1 Feuer vermehren und sich selber jegliches Recht auf mildere Umstände benehmen. Denn dass man deine eigenen Handlungen unnachsichtlich beurteilen soll, das hast du zuerst gleichsam als Gesetz aufgestellt, indem du diejenige deines Nächsten so gerichtet hast. Halte es also nicht für zu hart, wenn auch du in gleicher Weise zur Rechenschaft gezogen wirst.

V.5: „Heuchler! Entferne zuerst den Balken aus deinem eigenen Auge!“

Hier will der Herr zeigen, wie groß sein Unwille gegen jene sei, die in der angegebenen Weise handeln. Sooft er nämlich klar machen will, dass es sich um eine recht schwere Sünde handle, die auch schwere Strafe und Sühne verlange, beginnt er mit einem Scheltworte. So sagte er auch voll Unwille zu dem, der die hundert Denare zurückverlangte: „Du böser Knecht, deine ganze große Schuld habe ich dir nachgelassen“2 . Ebenso gebraucht er auch hier den Ausdruck: „Heuchler“. Derartige Urteile3 sind eben nicht der Ausdruck liebender Fürsorge, sondern liebloser S. d312 Gehässigkeit. Es trägt zwar den Anschein der Liebe zum Nächsten an sich, ist aber doch nur eine Frucht erbärmlichster Schlechtigkeit, wenn jemand dem Nächsten unwahre Vergehen zur Last legt, wenn derjenige die Rolle des Lehrmeisters sich anmaßt, der nicht einmal wert ist, des Herrn Jünger zu sein. Darum gibt der Herr einem solchen Menschen den Namen „Heuchler“. Denn wenn du mit dem Nächsten so lieblos verfährst, dass du auch die kleinen Fehler bemerkst, warum bist du dann mit dir selbst so nachsichtig, dass du sogar über deine großen Sünden hinwegsiehst? „Entferne zuerst den Balken aus deinem Auge.“ Siehst du, wie der Herr nicht verbietet, zu richten; nur will er, dass man zuerst den Balken aus dem eigenen Auge entferne, und dann erst die anderen auf die rechte Bahn zu weisen suche. Jeder kennt ja seine eigenen Angelegenheiten besser als die der anderen; jeder sieht das Große früher als das Kleine und liebt sich selbst mehr als seinen Nächsten. Willst du also aus wirklicher Fürsorge handeln, so sorge zuerst für dich selbst, weil da die Sünde größer und leichter zu sehen ist. Wenn du dagegen dich selber vernachlässigst, so ist dies ein deutliches Zeichen, dass du deinen Bruder nicht aus Fürsorglichkeit richtest, sondern aus Missgunst und in der Absicht, ihn bloßzustellen. Denn wenn ein solcher auch gerichtet werden muss, so soll dies doch durch einen geschehen, der selbst von der betreffenden Sünde frei ist, nicht aber durch dich. Nachdem also Christus so große und erhabene Tugendsatzungen gegeben, brachte er diesen Vergleich4 , damit niemand sagen könne, es sei gar leicht, solche Tugenden mit Worten anzupreisen. Er wollte deshalb zeigen, dass sein eigenes Gewissen frei sei, dass er sich in dieser Beziehung nichts habe zuschulden kommen lassen, sondern sich in allem korrekt benommen habe. Er selbst sollte ja später als Richter auftreten und sagen: „Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler!“5 Ihn selbst aber traf dieser Vorwurf nicht. Er hatte weder einen Splitter auszuziehen, noch hatte er einen Balken im S. d313 Auge; er war frei und rein von all dem und hatte so das Recht, die Sünden aller Menschen zu bessern. Er wollte eben sagen: Man muss nicht über andere richten, wenn man selbst die gleiche Sünde begangen hat. Was wunderst du dich aber, dass er diesen Grundsatz aufgestellt? Hat ja doch selbst der Räuber am Kreuze dies erkannt und zum anderen Räuber gesagt:„Fürchtest auch du Gott nicht, da wir doch demselben Gerichte verfallen sind?“6 . Er hat damit dem gleichen Gedanken Ausdruck verliehen wie Christus. Du hingegen entfernst nicht nur nicht deinen eigenen Balken, du siehst ihn nicht einmal; den Splitter des anderen aber siehst du nicht bloß, sondern du richtest auch und machst dich daran, ihn zu entfernen. Das ist gerade so, wie wenn jemand an Wassersucht litte oder sonst an einer schweren Krankheit und, während er selbst sich um diese nicht kümmert, einen anderen tadelte, dass er eines leichten Fiebers nicht achte. Wenn es aber schon tadelnswert ist, seine eigenen Sünden nicht zu sehen, so ist es zwei und dreifach tadelnswert, auch noch über andere zu Gericht zu sitzen, während man selbst ganze Balken in den Augen herumträgt, ohne Schmerz zu empfinden! Und dazu ist eine Sünde ja noch schwerer als ein Balken!


  1. höllische ↩

  2. Mt 18,32 ↩

  3. vonseiten der Menschen ↩

  4. mit dem Splitter und Balken ↩

  5. Mt 23,13 ↩

  6. Lk 23,40 ↩

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