2.
Glaube nur nicht, will der Herr sagen, dass es so nur mit dem Bösen gehe; beim Guten trifft das Gleiche zu. Auch da ist die innere Tugend größer, als die äußeren Worte verraten. Damit zeigt der Herr, dass man jene für schlechter halten müsse, als ihre Worte verraten, ihn selbst dagegen für noch besser, als man nur aus seinen Reden schließen könnte. Mit dem Ausdruck Schatz weist er sodann auf die große Menge hin. Daraufhin flößt er ihnen von neuem große Furcht ein. Glaube nicht, will er sagen, dass die Sache damit und mit der Verurteilung der großen Menge abgetan sei; denn alle, die derlei Sünde begangen, wird die schwerste Strafe treffen. Auch sagt er nicht: ihr; er wollte eben das ganze Menschengeschlecht belehren, und zugleich seiner Rede etwas weniger Härte geben.
V.36: „Ich sage euch aber, für jedes müßige Wort, das die Menschen reden, werden sie am Tage des Gerichtes Rechenschaft ablegen.“
Ein müßiges Wort ist aber das, was der Wahrheit nicht entspricht, ein Wort, das unwahr ist, das eine Verleumdung enthält. Einige sagen, es sei darunter auch jedes unnütze Wort zu verstehen: wie z.B. das, was ausgelassenes Lachen erregt oder das schimpflich, unanständig und gemein ist.
V.37: „Denn nach deinen Reden wirst du gerechtfertigt und nach deinen Reden verurteilt werden.“
Siehst du, wie wohlwollend das Gericht, wie milde die Strafen sind? Nicht nach dem, was ein anderer über dich sagte, wird der Richter sein Urteil fällen, sondern nach dem, was du selber gesprochen; das ist das gerechteste, was es gibt. Denn in deiner Macht steht es, zu reden oder nicht zu reden. Darum sollen auch nicht die Verleumdeten sich ängstigen und zittern, sondern die S. d605 Verleumder. Denn nicht jene werden sich für das zu verantworten haben, was über sie Schlechtes geredet wurde, sondern diese werden für ihre üblen Nachreden Rechenschaft geben müssen; auf ihnen lastet die ganze Verantwortung. Darum sollen die Verleumdeten ohne Sorge sein; denn nicht sie werden für die bösen Nachreden anderer gestraft werden, dagegen sollen die Verleumder sich ängstigen und zittern, denn sie werden hierfür vor Gericht gezogen. Es ist ja auch das eine Schlinge des Teufels; denn es handelt sich um eine Sünde, die kein Vergnügen gewährt, sondern nur Schaden bringt. Ein solcher Verleumder hinterlegt ja auch einen gar schlechten Schatz in seiner Seele. Wenn aber derjenige, der verdorbenen Saft in sich trägt, selber zuerst krank wird, so wird es um so mehr jenem schlimm ergehen, der die Schlechtigkeit selbst in sich birgt, die bitterer ist als alle Galle, und wird sich eine gar böse Krankheit zuziehen. Das erkennt man an seinem Auswurf. Denn wenn er schon den anderen so lästig fällt, dann um so mehr seiner eigenen Seele, die solches hervorbringt. Wer anderen Nachstellungen bereitet, der schlägt ja sich selber zuerst; denn wer Feuer anrührt, verbrennt sich selbst; wer auf einen Diamanten schlägt, fügt sich selber Schaden zu; und wer wider den Stachel ausschlägt, verwundet sich.
So ist auch derjenige, der es versteht, Unbilden mannhaft zu ertragen, gleich einem Diamant, einem Stachel und einem Feuerbrand; wer dagegen auf Unrecht sinnt, ist schwächer als Lehm. Also nicht Unrecht leiden ist ein Unglück, sondern Unrecht tun und Unrecht nicht zu ertragen wissen. Wie viele Unbilden hat z.B. David erfahren? Wieviel Böses hat ihm Saul getan? Und welcher von beiden ist mächtiger und glücklicher geworden? Wer unglücklicher und bedauernswerter? Nicht etwa der, der das Unrecht getan hat? Denke nur: Saul hatte dem David versprochen, wenn er den Philister töte, werde er ihn zum Schwiegersohn annehmen und ihm zum Zeichen der Huld seine Tochter geben. David tötete den Philister; Saul dagegen verletzte den Vertrag und verweigerte ihm nicht bloß die Tochter, sondern trachtete ihm sogar nach dem Leben. Wer ist S. d606 also der Bessere gewesen? Ist nicht der eine von Kummer und vom bösen Geiste fast erwürgt worden, während der andere durch seine Siege und durch seine Liebe zu Gott heller strahlte als die Sonne? Und ward nicht bei dem Chorgesang der Frauen der eine vom Neide erstickt, während der andere, der schweigend alles ertrug, die allgemeine Gunst gewann und alle an sich zog? Und als er selbst den Saul in seiner Gewalt hatte und seiner schonte: Wer war da der Glückliche? Wer der Unglückliche? Wer der Schwächere und wer der Stärkere? Nicht etwa der, der keine Rache nahm, obwohl er das Recht dazu gehabt hätte? Ja gewiss. Der eine hatte bewaffnete Soldaten auf seiner Seite, dem anderen stand die Gerechtigkeit im Kampfe bei, die stärker ist als tausend Heere. Deshalb hat er, dem man ungerechterweise nach dem Leben trachtete, nicht einmal erlaubterweise töten wollen. Er wusste eben von früher her, dass nicht Unrecht tun, sondern Unrecht leiden stärker macht. Das geht mit den Leibern gerade so, wie mit den Bäumen. Oder wurde nicht Jakob von Laban benachteiligt und hintergangen? Wer war also der Stärkere? Derjenige, der den anderen in seiner Macht hatte und nicht wagte, ihn zu berühren, sondern aus Furcht zitterte, oder derjenige, der ohne Waffen und Soldaten ihm mehr Furcht einflößte als tausend Könige1 ?
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Gen 31,24ff ↩