7.
Das sage ich, nicht um ihnen ihren Bissen zu rauben; nur möchte ich nicht, dass sie ihn sich mit so etwas verdienen müssen. Die Gastfreundschaft soll eben der Nächstenliebe entspringen, nicht der Roheit, dem Mitleid, nicht entehrender Verachtung. Also gib ihm zu essen, weil er arm ist; gib ihm Nahrung, weil Christus1 genährt wird, nicht aber deshalb, weil er satanische Reden führt und sein eigenes Leben entehrt. Schau nicht auf sein äußerliches Gelächter, prüfe lieber sein Gewissen, dann wirst du sehen, wie er sich selbst tausendmal verwünscht, über sich seufzt und jammert. Wenn er sich davon nichts anmerken lässt, so geschieht es ebenfalls deinetwegen. Also arme, aber freie Menschen sollen deine Gäste bei Tische sein, nicht Meineidige und Schauspieler. Willst du aber auch eine Belohnung für deine Gastfreundschaft fordern, so sag ihnen, sie sollen diejenigen tadeln und ermahnen, bei denen sie etwas Ungehöriges wahrnehmen, und sollen dich so in der Sorge für das Hauswesen und in der Aufsicht über die Hausgenossen unterstützen. Hast du Kinder? Sie mögen alle deren Väter sein, die Aufsicht über sie mit dir teilen, und dir solchen Gewinn bringen, der Gott wohlgefällig ist. Treibe mit ihnen eine Art geistigen Handels. Wenn du siehst, dass jemand der Fürsorge bedarf, so bitte sie, dass sie dem Betreffenden helfen, befiehl ihnen, denselben zu unterstützen. Bemühe dich durch sie um die Fremden, durch sie bekleide die Nackten, durch sie schick Hilfe den Gefangenen, rette andere aus der Not. So sollen sie dir deine Gastfreundschaft entgelten; davon haben sie selbst und hast du einen Nutzen; denn für diesen Ersatz verdienst du keinen Tadel.
Auf diese Weise wird auch die Freundschaft fester gekittet. Denn wenn es auch jetzt den Anschein hat, S. d693 als erweise man ihnen eine Freundlichkeit, in Wirklichkeit schämen sie sich doch, in dem Gedanken, dass sie umsonst bei dir leben. Wenn sie dir aber solch einen Dienst erweisen, so fühlen sie sich selbst leichter an deinem Tisch, und du bietest ihnen freudiger die Nahrung, in dem Bewusstsein, keine nutzlose Ausgabe zu haben, während sie viel unbefangener und mit der entsprechenden Freiheit sich bei dir aufhalten, und dein Haus anstatt eines Theaters zu einer Kirche wird, der Teufel die Flucht ergreift und Christus mit seinem Engelchor den Einzug hält. Denn wo Christus ist, da sind auch die Engel, da ist der Himmel, da ist ein Licht, viel glänzender als das Licht der Sonne.
Willst du aber auch noch einen anderen Vorteil von ihnen haben, so heiße sie in deinen Mußestunden die Hl.Schrift zur Hand nehmen und dir das göttliche Gesetz vorlesen. Damit werden sie dir viel lieber zu Willen sein als in den anderen Dingen. Denn das erhöht deine und ihre eigene Würde. Das andere dagegen entwürdigt alle zusammen, dich, weil du in deiner Trunkenheit mit ihnen Spott treibst, sie selbst, weil sie sich als erbärmliche Bauchdiener vorkommen. Wenn du sie zu Tische ziehst, nur um an ihnen dein Ergötzen zu finden, so ist das schlimmer, als wenn du sie tötest, tust du es dagegen um des geistigen Vorteiles und Gewinnes wegen, so ist auch das wieder nützlicher, als wenn du einen Verurteilten vom Tode errettetest. So aber entwürdigst du sie noch unter die Sklaven; denn deine Sklaven dürfen sich freier und sicherer bewegen als sie; im anderen Fall aber machst du sie den Engeln gleich. Gib also ihnen und dir selbst die Freiheit; nimm von ihnen die Bezeichnung „Schmarotzer“; nenne sie Tischgenossen, und heiße sie ferner nicht mehr Schmeichler, sondern Freunde. Darum hat ja auch Gott die Freundschaften gemacht, nicht zum Nachteil der Befreundeten, sondern zu ihrem Vorteil und Nutzen. Solche Freundschaften wie diese sind aber schlimmer als jede Feindschaft. Von unseren Feinden können wir sogar noch Nutzen schöpfen, wenn wir nur wollen; von solchen Freunden dagegen werden wir notwendig nur Schaden haben.
S. d694 Halte dir also keine Freunde, die dir nur Schaden bringen; halte dir keine Freunde, denen der Tisch lieber ist als die Freundschaft. Denn die werden alle die Freundschaft aufgeben, sobald du aufhörst, sie zu füttern. Wessen Freundschaft dagegen auf Tugend gegründet ist, der bleibt dir immer treu und bereit, jedes Ungemach mit dir zu tragen. Die Sippe der Schmarotzer aber nimmt oft Rache an dir und bringt dich in Verruf. Ich kenne viele Freigeborene, die auf diese Weise in schlimmen Verdacht kamen. Einige wurden als Zauberer und Betrüger verschrien, andere als Ehebrecher und Knabenschänder. Da sie nämlich selber nichts zu tun haben, sondern ein müßiges Leben führen, so geraten sie eben vielfach in den Verdacht, dass sie einem derartigen Laster huldigen.
So wollen wir uns denn von diesem üblen Rufe befreien, vor allem aber vor der drohenden Hölle, wollen Gottes Gebote beobachten und diese teuflische Gewohnheit aufgeben, damit wir auch beim Essen und Trinken alles zur Ehre Gottes tun und von ihm dafür Lob verdienen; das möge uns allen zuteil werden durch die Gnade und Liebe unseres Herrn Jesus Christus, dem Ehre und Macht gebührt, jetzt und immer und in alle Ewigkeit. Amen!
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in ihm ↩