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Also durch den Ort, sowie dadurch, dass er nicht mehr bietet als Brot und Fisch, dass er allen dasselbe gibt und allen gemeinsam verteilt, und keinem mehr zukommen lässt als dem anderen, durch all das lehrt er sie Demut, Enthaltsamkeit, Liebe, gleichmäßige Behandlung aller, sowie das Bewusstsein, dass alles gemeinsam sei. „Und er brach das Brot und gab es den Jüngern, S. d701 und die Jünger gaben es dem Volke.“ Die fünf Brote brach er und verteilte sie, und die fünfe vermehrten sich in den Händen der Jünger. Aber selbst hiermit ist das Wunder noch nicht abgeschlossen; der Herr machte, dass auch noch vieles übrig blieb, und zwar nicht ganze Brote, sondern Brotstücke. Er will eben zeigen, dass diese Überreste wirklich von den fünf Broten stammen, und dies in der Absicht, dass sie das Geschehene auch den Anwesenden mitteilten. Darum ließ er zuerst das Volk Hunger leiden, damit niemand sage, das Ganze sei nur Einbildung gewesen. Deshalb machte er auch, dass gerade zwölf Körbe voll übrig blieben, damit auch Judas einen zu tragen bekäme. Er hätte ja auch den Hunger einfach verschwinden lassen können; dann hätten aber die Jünger seine höhere Macht wohl kaum erkannt, da ja dies auch bei Elias geschehen war1 . Auf diese Weise setzte er also die Juden in solches Erstaunen , dass sie ihn sogar zum König machen wollten, was sie doch sonst bei keiner anderen Wundertat versuchten.
Wer könnte also mit Worten erklären, wie die Brote sich vermehrten? Wie sie mitten in der Wüste immer mehr zunahmen? Wie sie für so viele ausreichten? Es waren ja fünftausend Menschen da, ungerechnet die Frauen und Kinder. Aber gerade das gereicht den Leuten zur höchsten Ehre, dass sogar Frauen und Kinder dem Herrn anhingen.2 woher die Überreste kamen? Denn diese waren ja nicht geringer, als was im Anfang vorhanden war; und wie sie so zahlreich werden konnten, dass die Zahl der Körbe gerade derjenigen der Jünger gleichkam, keiner mehr und keiner weniger? Der Herr nahm also das gebrochene Brot und gab es nicht den Leuten, sondern den Jüngern, weil eben das Volk noch schwächer im Glauben war als die Jünger.
Nachdem aber das Zeichen geschehen war,
V.22: „Da nötigte er alsbald die Jünger, in das Schiff zu steigen und ihn an das andere Ufer zu führen, bevor er die Volksscharen entließ.“
S. d702 Denn wenn auch einer, solange er anwesend war, auf den Gedanken kommen konnte, es sei nur Einbildung und nicht Wirklichkeit, was er getan, so war dies doch unmöglich, nachdem er fortgegangen war. Darum überlässt er das Geschehene einer genauen Prüfung und gibt Befehl, dass diejenigen von ihm entfernt werden, die die Grundlage und den Beweis für seine Wunderzeichen in Händen hatten. Auch bei anderen Gelegenheiten, wo er etwas Großes tut, entfernt er sich vom Volk und den Jüngern, um uns zu zeigen, nirgends den Ruhm der Öffentlichkeit zu suchen, und nicht die Menge an uns zu ziehen. Wenn aber der Evangelist sagt: „Er nötigte“, so bekundet er damit nur die große Hingebung der Jünger3 . Auch schickte er die Jünger fort wegen des Volkes; er selbst aber wollte auf den Berg hinaufgehen. Auch das hat er wieder getan, um uns die Lehre zu geben, uns weder beständig unter dem Volk aufzuhalten, noch immerfort das Volk zu meiden, sondern beides in zukömmlicher Weise zu tun, und mit beidem in entsprechendem Maße abzuwechseln.
Lernen also auch wir, Jesus mit Eifer anzuhängen, aber nicht, um sinnfällige Wohltaten zu empfangen, damit wir nicht denselben Tadel verdienen wie die Juden. Denn, sagt der Herr: „Ihr suchet mich, nicht weil ihr Wunderzeichen geschaut habt, sondern weil ihr von den Broten aßet und satt wurdet“4 . Darum wirkte er auch dieses Wunder nicht immer, sondern nur zweimal, um sie zu lehren, nicht dem Bauche zu dienen, sondern stets den geistigen Dingen obzuliegen. Diesen wollen also auch wir uns widmen, wollen dem himmlischen Brote nachgehen, und wenn wir es erhalten, alle irdische Sorge von uns werfen. Wenn jene5 ihre Häuser, ihre Städte, ihre Verwandten und alles verließen und sich in der Wüste aufhielten, und trotz des Hungers, der sie quälte, nicht fortgingen, dann müssen um so mehr wir, die wir uns einem so erhabenen Tische nähern, noch weit größeren Eifer zeigen, die geistigen Dinge lieben und die materiellen erst nach diesen suchen. Auch jene wurden ja getadelt, nicht S. d703 weil sie den Herrn des Brotes wegen suchten, sondern weil sie ihn nur deshalb suchten, und in erster Linie deshalb. Wenn jemand die großen Gaben verachtet und sich dafür an die kleinen hängt, die er nach der Absicht des Gebers verachten sollte, so verliert er auch diese. Wenn wir dagegen jene lieben, so gibt er uns auch die anderen dazu. Diese sind nämlich nur eine Zugabe zu jenen; so wertlos und gering sind sie im Vergleich zu jenen, wenn sie auch sonst groß sind.
Jagen wir also nicht diesen zeitlichen Dingen nach, sondern halten wir deren Besitz oder Verlust für etwas ganz Gleichgültiges, wie ja auch Job sich nicht an sie hing, solange er sie besaß, und ihnen nicht nachjagte, nachdem er sie verloren. Denn Besitz6 heißen diese Dinge nicht deshalb, damit wir sie vergraben, sondern damit wir sie in der rechten Weise besitzen. Und wie bei den Handwerkern jeder seine besonderen Kenntnisse hat, so versteht auch der Reiche zwar nicht das Schmiedehandwerk, nicht den Schiffsbau, nicht die Webekunst, nicht das Bauhandwerk, auch sonst nichts von all dem; dafür aber soll er lernen, den Reichtum, gut zu gebrauchen und mit den Dürftigen Mitleid zu haben; dann wird er eine Kunst verstehen, die alle anderen übertrifft.