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Works John Chrysostom (344-407) In Matthaeum homiliae I-XC Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)
Zweiundfünfzigste Homilie. Kap. XV, V.21-31.

2.

Was tat nun das Weib, als sie diese Worte hörte? Wurde sie still? Ging sie hinweg? Stand sie von ihrem Vorhaben ab? Keineswegs, Sie wurde vielmehr noch zudringlicher. Wir handeln freilich nicht so: wenn wir etwas nicht gleich erhalten, so lassen wir ab vom Bitten, während wir gerade dann um so eifriger flehen sollten. Und doch, wen hätten die Worte des Herrn nicht entmutigen sollen? War schon das Schweigen darnach angetan gewesen, das Weib zur Verzweiflung zu bringen, wieviel mehr erst diese Antwort! Denn zu sehen, dass auch ihre Fürbitter mit ihr abgewiesen wurden, und zu hören, dass die Sache überhaupt aussichtslos sei, musste sie ja in die größte Mutlosigkeit versetzen. Gleichwohl verzweifelt das Weib nicht; sondern, als sie merkte, dass ihre Fürsprecher nichts ausrichteten, nahm sie zu einer hübschen Unverschämtheit ihre Zuflucht. Vorher hatte sie nicht gewagt, dem Herrn unter die Augen zu treten, denn, heißt es: „sie schreit hinter uns her“; jetzt aber, wo man hätte erwarten dürfen, sie werde sich in ihrer Hoffnungslosigkeit noch weiter zurückziehen, jetzt kommt sie sogar noch näher heran, betet ihn an und spricht:

S. d743

V.25: „Herr, hilf mir!“

Was soll das heißen, o Weib? Hast du vielleicht mehr voraus als die Apostel? mehr Einfluss als sie? Mehr Recht und Einfluss? sagt sie, o nein, ja ich bin sogar voll Scham; dennoch ziehe ich jetzt die Kühnheit dem Flehen vor; er wird schon meine Zuversicht achten. Aber wozu denn das? Hast du ihn nicht sagen hören: „Ich ward gesandt einzig nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel“? Freilich habe ich es gehört, aber er ist der Herr. Deshalb sagte sie auch nicht: Bitte und flehe für mich, sondern: „Hilf mir.“ Was tut nun Christus? Nicht zufrieden mit dem Bisherigen, steigert er noch ihre Verlegenheit, indem er spricht:

V.26: „Es ist nicht recht, das Brot der Kinder zu nehmen und es den jungen Hunden hinzuwerfen.“

Jetzt, wo er sie eines Wortes würdigt, versetzt er sie in noch größere Bestürzung als durch sein Schweigen. Auch schiebt er die Schuld nicht mehr auf einen anderen wie vorher, da er sprach: „Ich bin nicht gesandt“, sondern je dringlicher die Bitten des Weibes werden, desto deutlicher schlägt er die Erhörung ab. Dabei nennt er die Juden nicht mehr Schafe, sondern Kinder, das Weib aber ein Hündlein. Was antwortet nun das Weib? Auf seine eigenen Worte baut sie ihre Verteidigung auf. Wenn ich ein Hündlein bin, sagt sie, so bin ich keine Fremde. Mit Recht hatte Christus gesagt: „Zu einem Gerichte bin ich gekommen“1 . Das Weib zeigt sich weise, sie legt große Ausdauer und großen Glauben an den Tag, und zwar trotzdem sie so verdemütigt wird; die Juden hingegen, die von ihm geheilt und bevorzugt worden waren, lohnen ihn durch das Gegenteil. Das Weib sagt: Dass man die Nahrung für die Kinder braucht, weiß ich wohl, allein auch mir kann sie nicht verweigert werden, da ich wenigstens ein Hündlein bin. Wenn es überhaupt nicht gestattet ist, etwas zu nehmen, so ist es ja auch nicht erlaubt, die Brosamen zu erhalten; darf man aber auch nur am Geringsten teilnehmen, so werde auch ich nicht zurückgewiesen, wenn ich auch nur ein Hündlein bin; im Gegenteil, gerade so erhalte ich am sichersten einen Anteil, wenn ich ein Hündlein bin.

Christus wusste, dass sie so reden würde; deshalb hatte er sie hingehalten, darum hatte er ihr die Gewährung verweigert, um ihre Klugheit zeigen zu können. Denn hätte er ihre Bitte wirklich gewähren wollen, so hätte er sie auch nachher nicht erhört und sie nicht noch einmal in Verlegenheit gesetzt. So machte er es auch bei dem Hauptmann, da er sprach: „Ich will kommen und will ihn heilen“2 , damit wir dessen Frömmigkeit kennen lernen und ihn sagen hörten: „Herr, ich bin S. d744 nicht würdig, dass Du eingehest unter mein Dach“3 ; so machte er es bei der blutflüssigen Frau, zu der er sprach: „Ich weiß, dass eine Kraft ausgegangen ist von mir“4 , um ihren Glauben zu offenbaren; so verfuhr er mit der Samariterin, um darzutun, dass sie trotz ihrer Zurechtweisung nicht von ihm wegging; so machte er es endlich in diesem Falle. Er wollte eben nicht, dass die große Tugend des Weibes verborgen bliebe. So lag also in seinen Worten keine Verachtung, sondern eine Aufmunterung und er deckte durch sie einen großen Schatz auf. Du aber beachte, wie das Weib nicht bloß Glauben, sondern auch Demut besitzt. Der Herr nannte die Juden Kinder, ihr ist das nicht genug, sie nennt sie Herren, so weit war sie entfernt davon, sich über den Vorzug anderer zu betrüben.

V.27: „Denn auch die Hündchen“, sagt sie, „essen von den Brosamen, welche von dem Tische ihrer Herren fallen.“

Siehe, wie einsichtsvoll das Weib ist; sie wagt nicht zu widersprechen, ist nicht empfindlich beim Lobe anderer, sie wird nicht aufgebracht über die Beschimpfung. Siehst du also, wie beharrlich sie ist? Der Herr sagte: „Es ist nicht gut“, sie spricht: „Ja, Herr“; er nennt die Juden Kinder, sie heißt sie Herren; er gibt ihr den Namen Hündlein, sie fügt noch das Benehmen eines Hündchens hinzu. Siehst du, wie demütig sie ist? Höre, wie die Juden prahlen: „Abrahams Nachkommenschaft sind wir, und nie sind wir jemals anderen dienstbar gewesen“5 , und: "Aus Gott sind wir geboren"6 . Nicht so das Weib; sie nennt sich selbst ein “Hündlein", jene aber “Herren"; eben deshalb wurde sie auch unter die Kinder aufgenommen. Was antwortet nun Christus? Er sagt:

V.28: “O Weib, dein Glaube ist groß."

Hier haben wir den Grund, weshalb er die Erhörung S. d745 hinausschob; er wollte, dass das Weib diese Worte laut ausrufe, um ihre Tugend krönen zu können. “Es geschehe dir, wie du willst!" Der Sinn dieser Worte ist der: Dein Glaube vermag noch Größeres zustande zu bringen, aber es geschehe, wie du willst. Diese Worte sind jenen ähnlich, wo es heißt: “Es werde der Himmel und er ward"7 .

V.28: “Und ihre Tochter ward von jener Stunde an geheilt."

Siehst du, dass das Weib nicht wenig zur Heilung ihrer Tochter beigetragen hat? Darum sagte ja auch Christus nicht: “Deine Tochter werde gesund", sondern: „Dein Glaube ist groß; es geschehe, wie du willst.“ Du sollst daraus ersehen, dass diese Worte nicht so obenhin oder gar nur aus Höflichkeit gesprochen wurden, sondern dass die Kraft ihres Glaubens wirklich groß war. Die Probe und den schlagenden Beweis dafür lieferte er durch den Ausgang der Sache: Ihre Tochter wurde augenblicklich gesund.


  1. Joh 9,39 ↩

  2. Mt 8,7 ↩

  3. ebd 8,8 ↩

  4. Lk 8,46 ↩

  5. Joh 8,33 ↩

  6. ebd 8,41 ↩

  7. Gen 1,1 ↩

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