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Bibliothek der Kirchenväter
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Works John Chrysostom (344-407) In Matthaeum homiliae I-XC Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)
Dreiundfünfzigste Homilie. Kap. XV, V.32-Kap XVI, V.12.

4.

Was wunderst du dich also, wenn dir etwas zustößt? Man sieht ja, dass es auch den Heiligen ebenso ergangen ist. Und damit du dies klar erkennest, wollen wir dir ein Leben vor Augen stellen, das du für ganz besonders reich am Freuden und frei von aller Drangsal hältst. Wenn du willst, so untersuchen wir zuerst das Leben Abrahams. Was musste also dieser Mann gleich zu Anfang hören? „Gehe aus deinem Lande und aus deiner Verwandtschaft“1 . Siehst du, wie bitter der Auftrag ist? Aber beachte, wie auch Angenehmes darauf folgt. „Und gehe in ein Land, das ich dir zeigen werde, und ich will dich zum Vater eines großen Volkes machen.“ Aber denkst du, dass nun alles Bittere aufhörte, als er in das Land gekommen war und sein Ziel erreicht hatte? Mitnichten; andere Widerwärtigkeiten, schlimmer als die früheren, folgten: Hungersnot, Auswanderung, Raub seines Weibes; darauf erwartete ihn wieder Tröstliches: die Bestrafung Pharaos, die Entlassung, die Ehrenbezeugung, viele Geschenke und die Heimkehr. Und später ist alles wieder so, eine Kette von Annehmlichkeiten und Widerwärtigkeiten. Bei den Aposteln war dasselbe der Fall. Deshalb sagt auch Paulus: „Der uns tröstet in all unserer Drangsal, auf dass auch wir diejenigen zu trösten vermögen, die in irgendeiner Drangsal sind“2 . Aber, sagt man, was geht das mich an, der ich immerfort in Kummer lebe? Sei nicht unbillig und undankbar. Es ist ja gar nicht möglich, dass jemand beständig in Leiden S. d764 schmachte: das hält unsere Natur nicht aus. Weil wir jedoch fortwährend in Freuden schwelgen wollen, deshalb meinen wir, wir seien immer voller Leiden; und nicht bloß deshalb klagen wir immer über Leiden, sondern auch, weil wir das Angenehme und Gute rasch wieder vergessen, das Widerwärtige hingegen stets lebendig vor unserer Seele steht. Aber es ist, wie gesagt, ganz unmöglich, dass ein Mensch immer voll Leiden sei.

Wenn es euch beliebt, wollen wir ein Leben voll Üppigkeit, Weichlichkeit und Überfluss, und ein anderes voll Beschwerden, Lasten und Bitterkeiten untersuchen. Da werden wir euch zeigen, dass ersteres auch seine Leiden, und letzteres auch seine Freuden hat. Aber bleibet schön ruhig. Stellt euch also einen Sklaven und einen jungen König vor, der verwaist ist und großen Reichtum ererbt hat, stellt euch ferner einen Taglöhner vor, der den ganzen Tag schwer arbeitet, sowie einen Mann, der beständig in Üppigkeit lebt. Sollen wir nun zuerst die Kümmernisse jenes Mannes, der in Üppigkeit lebt, schildern? Bedenke einmal, wie es in seinem Innern stürmen muss, wenn er nach größeren Ehren verlangt als ihm zukommt; wenn ihn seine Dienerschaft geringschätzt; wenn er von Niedrigen geschmäht wird; wenn er wegen seines Aufwandes tausend Nörgler und Verleumder findet? Und das andere, was so großer Reichtum naturgemäß mit sich bringt, lässt sich gar nicht alles aufzählen: Gehässigkeiten, Misshelligkeiten, Beschuldigungen, Verluste, Anschläge von seiten der Neider, welche, wenn sie seinen Reichtum nicht an sich bringen können, den jungen Mann bei jeder Gelegenheit in den Staub ziehen, herabwürdigen und tausenderlei Stürme gegen ihn hervorrufen. Soll ich nun auch von den Freuden des Taglöhners sprechen? Von all den genannten Widerwäptigkeiten ist er frei, und wenn ihn jemand geringschätzig behandelt, so tut es ihm nicht sonderlich weh, weil er sich selbst über niemanden stellt; Furcht um sein Vermögen kennt er nicht, er isst mit viel Appetit, schläft mit großer Seelenruhe. Diejenigen, welche den Wein aus Thasos trinken, schwelgen nicht so dabei wie er, wenn er zur S. d765 Quelle geht und an ihrem Wasser sich labt. Bei jenem anderen ist das alles nicht der Fall.

Wenn dir das Bisherige noch nicht genügt, wohlan, so wollen wir, damit du völlig überzeugt werdest, auch den König und den Sklaven miteinander vergleichen, und du wirst sehen, dass dieser oft voll Freude ist und jauchzt und jubelt, während jener trotz Krone und Purpur niedergeschlagen und in tausenderlei Sorgen und halbtot ist vor Angst. Denn es ist nun einmal absolut unmöglich, ein Menschenleben zu finden, das ganz frei von Leid wäre, und ebenso keines, dem nie eine Freude zuteil würde; das würde, wie schon früher gesagt, unsere Natur nicht aushalten. Wenn aber bei den einen die Freuden, bei den anderen das Leid überwiegt, so ist die Ursache für die Leiden nicht in der Natur der Verhältnisse, sondern darin zu suchen, dass der Leidende kleinmütig ist. Denn wenn wir nur wollten, wir hätten reichlichen Anlass, uns beständig zu freuen. Wir brauchen uns nur auf die Übung der Tugend zu verlegen, so kann uns nichts mehr betrüben. Denn die Tugend stellt allen, die sie üben, herrliche Güter in Aussicht, macht sie wohlgefällig vor Gott und angesehen bei den Menschen, und erfüllt das Herz mit unbeschreiblicher Wonne. Mag die Übung der Tugend immerhin mühevoll sein, sie gibt doch dem Gewissen große Freudigkeit und flößt uns ein solch inneres Glück ein, dass man es mit Worten gar nicht schildern kann. Was kommt dir denn in diesem irdischen Leben so angenehm vor? Eine wohlbesetzte Tafel, Gesundheit, Ehre, Reichtum? Vergleichst du aber diese Annehmlichkeiten mit der Wonne, welche die Tugend bietet, so erscheint all das bitter. Es gibt eben nichts Süßeres als ein ruhiges Gewissen und eine gute Hoffnung.


  1. Gen 12,1 ↩

  2. 2 Kor 1,4 ↩

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