4.
Über der Sorge für andere vergiss also nicht dich selbst und deine eigenen Angelegenheiten. Das tun zwar jetzt alle und sie gleichen darin den Bergleuten. Denn diese haben von ihrer Arbeit keinen Gewinn, werden nicht reich davon, haben im Gegenteil nur Nachteil dabei, weil sie sich für andere umsonst Gefahren aussetzen, ohne von ihrem Schweiße und ihren Todesgefahren einen Vorteil zu ziehen. Ähnlich wie diese Bergleute machen es auch unter uns viele, die nur für fremden Reichtum sich abmühen; ja, die sind noch viel schlimmer daran als jene, denn uns erwartet nach all diesen Mühen auch noch die Hölle. Für jene ist der Tod das Ende ihrer Mühsale, während für uns der Tod den Anfang unendlicher Leiden bedeutet. Da wendest du ein, der Reichtum biete dir wenigstens für deine Mühen einen Genuss; gut, zeige mir, dass deine Seele glücklich ist, und ich will es glauben. Denn die Seele ist in uns die Hauptsache. Wenn der Leib auch schwelgt, so ist das für dich kein Glück, wenn die Seele dabei darbt; auch der Herrin nützt es nichts, wenn die Magd sich freut, während sie selber dem Tode verfallen ist, so wenig als es dem kranken Leibe nützt, wenn man ihn mit einem prächtigen Gewande zudeckt. Christus wird vielmehr von neuem zu dir sagen: „Was wird ein Mensch geben als Entgelt für seine Seele?“; er will dir eben immer wieder einschärfen, dass du dein Augenmerk der Seele zuwendest und für sie allein Sorge tragest.
Durch die bisherigen Beispiele hat der Herr die Furcht angeregt; nunmehr spendet er Trost durch den Hinweis auf den Lohn.
V.27: „Denn der Sohn des Menschen wird kommen in der Herrlichkeit seines Vaters samt seinen Engeln, und dann wird er einem jeglichen vergelten nach seinen Werken.“
Siehst du, wie Vater und Sohn nur eine1 Herrlichkeit besitzen? Wenn aber nur eine Herrlichkeit, dann offenbar auch nur eine Wesenheit. Denn wenn bei gleicher Wesenheit die Herrlichkeit verschieden ist (denn „anders ist der Sonnenglanz, anders der Mondenglanz; denn ein Stern unterscheidet sich an Glanz vom anderen“2), obschon die Wesenheit die gleiche ist, wie könnte bei gleicher Herrlichkeit eine andere Wesenheit angenommen werden? Er sagte auch nicht: in einer solchen Herrlichkeit wie der Vater da könntest du einen Unterschied vermuten , sondern er zeigt, dass er seine Worte genau abgewogen hat und sagt: „in derselben Herrlichkeit wird er kommen“, so dass man nur an ein und dieselbe Herrlichkeit denken kann.
Er sagt damit gleichsam: Warum wolltest du also erschrecken, wenn du vom Sterben hörst, Petrus? Dann wirst du mich ja in der Herrlichkeit des Vaters schauen. Wenn aber ich die Herrlichkeit genieße, dann auch ihr; denn euer Leben ist nicht auf das Diesseits beschränkt, es harrt euer vielmehr ein besseres Los. Nachdem er also das Angenehme und Tröstliche vorgebracht, bleibt er dabei nicht stehen, sondern lässt wieder einiges einfließen, um ihre Furcht zu erregen: er erwähnt das jüngste Gericht, die unausweichliche Rechenschaft, den unbestechlichen Richterspruch, das untrügliche Urteil. Anderseits aber entrollt er nicht bloß düstere Bilder, sondern bietet dazwischen auch hoffnungsfreudige Gedanken. So sagt er nicht; dann wird er die Sünder strafen, sondern: „er wird einem jeglichen vergelten nach seinen Werken“. Das sagt er nicht bloß, um die Gottlosen an die Strafe zu gemahnen, sondern auch um die Gerechten zu belohnen und zu krönen. Allein, mag der Herr immerhin also gesprochen haben, um die Guten zu trösten, ich erbebe doch jedesmal, wenn ich das höre, denn ich rechne mich nicht zu denen, die gekrönt werden. Ich meine, auch andere werden mit uns diese Furcht und Angst teilen. Denn S. d793 wenn einer in seinem eigenen Gewissen Einkehr hält, wie sollten ihn diese Worte nicht in Schrecken und Schauder versetzen; wie sollten sie uns nicht das Bewusstsein wecken, dass wir Bußkleider und strenges Fasten viel nötiger hätten als einst die Bewohner von Ninive? Denn bei uns handelt es sich nicht um die Zerstörung einer Stadt und den Tod aller, sondern um die ewige Strafe und das Feuer, das nie erlischt.