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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In Matthaeum homiliae I-XC Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)
Siebenundfünfzigste Homilie. Kap. XVII, V.10-21.

5.

Allein so darf man es nicht machen; solche Reden sind ein Zeichen teuflischer Einflüsterung. Nicht dem Weine sollst du die Schuld geben, sondern der Trunksucht. Nimm einen Trinker her, wenn er nüchtern ist, schildere ihm seine ganze Abscheulichkeit und sprich zu ihm: Der Wein ist uns gegeben worden, um uns zu erheitern, nicht damit wir den Anstand einbüßen; zu unserer Freude, nicht zu unserer Schmach; zur Erhaltung der Gesundheit, nicht um uns krank zu machen; zur Kräftigung der leiblichen Schwäche, nicht zur Schwächung der Kräfte der Seele. Gott hat dich mit dieser Gabe beehrt; wie kannst du dich selbst S. d831 entehren durch Unmäßigkeit? Höre doch, was Paulus sagt: „Gebrauche ein wenig Wein wegen deines Magens und deiner häufigen Schwächen“1 . Wenn Timotheus, ein Heiliger, trotz seiner Krankheit und seiner fortwährenden Unpässlichkeiten keinen Wein genoss, bis es ihm der Meister auftrug, womit wollten wir uns entschuldigen, wenn wir uns bei voller Gesundheit betrinken? Zu Timotheus sprach Paulus: „Trinke ein wenig Wein wegen des Magens“, zu jedem von euch, der sich berauscht, wird er sagen: Du darfst nur wenig Wein genießen, wegen der Fleischessünden, wegen der häufigen unflätigen Reden, wegen der bösen Begierden, welche die Trunkenheit im Gefolge hat. Genügen euch schon diese Gründe nicht, so enthaltet euch des unmäßigen Trinkens wenigstens wegen der Unlust und Verdrossenheit, die es nach sich zieht. Der Wein ist zur Freude gegeben worden, so lesen wir: „Wein erfreut des Menschen Herz“2 . Ihr aber tut dieser guten Wirkung Schmach an. Kann es denn eine Freude sein, wenn man nicht mehr bei Sinnen ist, wenn man von allerlei Übelkeiten gepeinigt wird, wenn sich alles im Kreise dreht und aussieht, als wäre es von einem Schleier überzogen, wenn man sich gleich einem Fieberkranken den Kopf mit Öl einreiben muss?

Diese meine Worte gelten aber nicht allen und doch auch wieder allen; nicht als ob nämlich alle dem Trunke ergeben wären, Gott bewahre, sondern weil sich die Nüchternen um die Betrunkenen nicht kümmern. Deshalb wende ich mich besonders an euch, die ihr vernünftig seid, ähnlich wie ein Arzt, der sich ja auch nicht bloß an die Kranken wendet, sondern auch mit deren Umgebung sich bespricht. An euch also sind meine Worte gerichtet, euch fordere ich auf; lasset euch ja nicht von dieser Leidenschaft ergreifen. Die aber davon befallen sind, die muntert auf, dass sie doch nicht schlimmer als die unvernünftigen Tiere sich betragen. Denn diese verlangen nicht mehr, als sie brauchen. Die Trinker dagegen sind unvernünftiger, weil sie die Grenzen der Mäßigung überschreiten. Wieviel besser ist doch ein Esel als sie! Wieviel gescheiter ein Hund! Diese und alle S. d832 anderen Tiere finden beim Essen und Trinken ihr Maß in der Genüge und gehen nicht über das Bedürfnis hinaus; und würde man sie auch noch so sehr nötigen, man kann sie nicht bewegen, unmäßig zu sein. In dieser Beziehung seid ihr also schlechter als die unvernünftigen Tiere, nicht nur im Vergleich mit den Nüchternen, sondern auch für euch selbst; denn ihr beweist damit, dass ihr euch selbst nicht einmal so hoch schätzet, wie die Hunde und Esel. Denn die unvernünftigen Tiere nötigt man nicht, mehr zu fressen, als sie bedürfen, und auf die Frage: warum? entgegnest du, du wollest sie nicht schädigen. Dir gegenüber bist du nicht so behutsam. Folglich hältst du dich für weniger wert als die Tiere, und es liegt dir nichts daran, dass du fortwährend in Gefahr bist zugrunde zu gehen. Denn die Trunkenheit schadet nicht bloß am Tage, wo du betrunken bist, sondern noch lange darüber hinaus. Wie bei einem Fieber nachteilige Wirkungen zurückbleiben, auch wenn es gewichen ist, so ist es auch bei der Trunkenheit. Auch nachdem der Rausch verflogen ist, wirkt die Aufregung in der Seele und im Leibe nach. Der arme Leib liegt da, gebrochen wie ein Fahrzeug nach dem Schiffbruche. Die Seele ist noch elender daran als der Leib; während dieser matt ist, erregt sie den Sturm und entfacht die Begierden, und ist gerade dann recht toll, wenn sie vernünftig zu sein scheint, und träumt von Wein, Fässern, Bechern und Humpen. Es geht hier wie bei einem Sturme; nachdem das Toben desselben beschwichtigt ist, bleibt der Schaden, den er angerichtet hat; denn wie dort3 die Waren über Bord geworfen werden, so büßt man durch die Trunkenheit fast alle Tugenden ein. Alles, was vorher da war: Enthaltsamkeit, Schamhaftigkeit, Klugheit, Gerechtigkeit, Demut, alles schleudert sie in das Meer der Ungerechtigkeit.

Hinsichtlich der Folgen trifft der Vergleich aber nicht mehr zu. Dort wird das Fahrzeug nach dem Verluste erleichtert, hier wird es noch mehr beschwert. An Stelle des eingebüßten Reichtums nimmt es hier Sand, Seewasser und den ganzen Unrat der Trunkenheit auf. Die Folge davon ist, dass gar bald das Schiff mit den Fahrgästen und dem Steuermann zugrunde geht. S. d833 Damit uns also kein solches Unglück zustoße, wollen wir uns vor diesem Sturme bewahren. Es ist eben ein Ding der Unmöglichkeit, dass einer, der dem Laster der Trunksucht verfallen ist, in das Himmelreich eingehe. Die Schrift sagt: „Täuschet euch nicht!...weder Trunkenbolde noch Lästerer werden Gottes Reich ererben“4 . Was rede ich nur vom Himmelreiche? Nicht einmal das Reich Gottes auf Erden kann ein Trunksüchtiger genießen. Die Trunkenheit macht ja die Tage zur Nacht, das Licht zur Finsternis; bei offenen Augen sehen die Trunkenen nicht einmal, was vor ihren Füßen liegt. Und das ist noch nicht das einzige Unheil; einer viel schlimmeren Strafe verfallen sie noch außerdem, denn unbeschreiblicher Überdruss, Schwermut, Krankheiten, Spott, Schande ist ihr beständiges Los. Können Menschen, die sich selbst so viel Böses zufügen, wohl auf Verzeihung rechnen? Wahrlich nicht! Lasset uns also dieser Pest fliehen, damit wir der zeitlichen und ewigen Güter teilhaftig werden durch die Gnade und Güte unseres Herrn Jesus Christus, dem im Verein mit dem Vater und dem Heiligen Geiste die Ehre und die Macht gebührt in alle Ewigkeit. Amen!


  1. 1 Tim 5,23 ↩

  2. Ps 103,15 ↩

  3. wegen des Sturmes ↩

  4. 1 Kor 6,9-10 ↩

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