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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In Matthaeum homiliae I-XC Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)
Achtundfünftigste Homilie. Kap. XVII, V.22 - Kap XVIII.

4.

Das ist eben der Lauf der Menschengeschichte. Ich will es euch aus der Hl. Schrift zeigen. Salomon war der Sohn eines Königs, und zwar eines berühmten Königs; aber sein Großvater gehörte zu den niedrigen und unbekannten Leuten; ebenso der Großvater mütterlicherseits, denn sonst hätte er seine Tochter nicht an einen einfachen Soldaten verheiratet1 . Geht man aber von diesen schlichten Leuten weiter zurück, so findet man wieder ein glänzendes und vornehmes Geschlecht. Ebenso war es mit Saul, und bei vielen anderen könnte man dasselbe finden. Lassen wir uns daher aus solchen Gründen nicht zu hochfahrenden Gedanken verleiten. S. d843 Sage mir doch, was ist denn eigentlich das Geschlecht? Nichts als ein leerer Name. Das wird man am jüngsten Tage erfahren. Da wir aber den jüngsten Tag noch nicht haben, so möchte ich euch aus den Tatsachen der Gegenwart überzeugen, dass man keine Ursache hat, aus seiner Abstammung irgendeinen Vorzug abzuleiten. Es mag nur ein Krieg, eine Hungersnot oder etwas Ähnliches ausbrechen, und alle Einbildung wegen der Abstammung wird zuschanden; bei einer Krankheit, einer Seuche gibt es keinen Unterschied zwischen reich und arm, berühmt und unberühmt, hoch und nieder; ebensowenig macht der Tod einen Unterschied oder die übrigen Schicksalsfälle; alle Menschen werden von ihnen in gleicher Weise betroffen, und, es mag befremdlich klingen, die Reichen noch mehr. Je weniger sie sich nämlich dessen versehen, desto eher erliegen sie darunter. Zudem ist die Furcht bei den Reichen größer. Sie zittern am meisten vor den Machthabern, und nicht weniger vor deren Untertanen, ja vor ihnen noch mehr; denn gar manches angesehene Haus ist durch die Wut des Volkes oder durch die Drohung der Fürsten vernichtet worden. Ein Armer ist gegen alle diese Stürme gesichert. Rede daher nicht von einem solchen Adel; willst du mir beweisen, dass du adelig bist, so zeige mir, dass du einen solchen Adel des Geistes besitzest, wie ihn jener heilige Mann trotz seiner Armut besaß, der zu Herodes sprach: „Es ist dir nicht erlaubt, die Frau deines Bruders zu haben“2 ; wie ihn jener an den Tag legte, der schon lange vor Johannes mit solchem Freimut auftrat und einst wieder auftreten wird, jener nämlich, der zu Achab sprach: „Nicht ich bringe Israel Verderben, sondern du und das Haus deines Vaters“3 ; einen Adel, wie ihn die Propheten, wie ihn alle Apostel besaßen.

So sind die Seelen der Sklaven des Reichtums freilich nicht beschaffen, sondern eher so, als ob sie unter der Peitsche von tausend Zuchtmeistern und Henkern ständen, sie wagen nicht einmal die Augen aufzuschlagen S. d844 und beherzt für die Tugend einzutreten. Denn die Begierde nach Besitz, nach Ehre und anderen Dingen macht sie feige, knechtisch und schmeichlerisch. Durch nichts wird eben die Freiheit so sehr eingedämpft, als wenn man sich an die irischen Geschäfte hingibt und sich in Dinge mischt, die Ruhm einzutragen scheinen. Ein solcher Mensch hat nicht bloß einen oder zwei oder drei Gebieter über sich, sondern unzählige. Wollt ihr sie kennen lernen, so lasset uns einen vornehmen Höfling betrachten, der großen Reichtum, gewaltigen Einfluss, ein berühmtes Vaterland, angesehene Ahnen besitzt und aller Augen auf sich lenkt. Wir werden nun sehen, ob er nicht der elendeste Knecht ist, und wollen ihn hierbei einen Sklaven, aber nicht den ersten besten, sondern den Sklaven eines Sklaven gegenüberstellen; denn mancher Sklave hält sich wieder Sklaven. Dieser Knecht eines anderen Knechtes hat nur einen Gebieter. Es liegt gar nichts daran, dass derselbe auch nicht frei ist, er hat eben doch nur einen und braucht nur auf dessen Wünsche zu sehen. Wenn auch der Herr seines Gebieters über ihn Gewalt zu haben scheint, er untersteht doch nur einem einzigen; genießt er seine Zufriedenheit, so ist sein Leben ein ruhiges.

Unser Höfling dagegen hat nicht nur einen oder zwei Herren, sondern viele und dazu recht schlimme. Zuerst muss er seine Augen auf den König richten. Es ist aber nicht gleich, ob man einen einfachen Mann oder den König zum Herrn hat; vor letzteren wird gar vieles gebracht, bald leiht er diesen, bald jenen sein Ohr. Ohne sich einer Schuld bewusst zu sein, hat ein solcher doch gegen alle das Gefühl des Argwohnes, gegen seine Mitfeldherrn und die, die unter ihm stehen, gegen seine Freunde und Feinde. Du wendest ein: Auch der andere fürchtet seinen Herrn. Ich frage dagegen: Ist es wohl einerlei, ob man einen oder viele zu fürchten hat? Ja, genau betrachtet, braucht jener Sklave nicht einmal einen zu fürchten. Warum? Aus welchem Grunde? Nun, weil ihn niemand aus seiner Stellung als Sklave zu verdrängen sucht, um seinen Platz einzunehmen, und somit hat er keinen, der gegen ihn Ränke schmiedet. Die Höflinge aber haben nur ein Bestreben, S. d845 den, der beim Herrscher in Ansehen und Gunst steht, in seiner Stellung zu erschüttern. Daher sieht sich dieser genötigt, allen schön zu tun, den Höheren, den Gleichgestellten, den Freunden. Wo Eifersucht und Ehrgeiz herrschen, ist übrigens gar kein Raum für wahre Freundschaft. Wie nämlich die Handwerker desselben Berufszweiges einander nicht vollkommen und aufrichtig Freund sein können, so auch diejenigen nicht, welche in denselben Würden stehen und in weltlichen Dingen dieselben Ziele verfolgen. Daraus erklärt sich der so häufige gegenseitige Kampf. Siehst du also, was das für ein Schwarm von Herren, von recht schlimmen Herren ist? Willst du auch einen anderen, noch schlimmeren sehen? Es sind alle jene, die unter ihm stehen; sie trachten, vor ihn zu kommen, und die vor ihm sind, sie suchen es zu hindern, dass er an ihre Seite komme oder sie überhole.


  1. 2 Kön 11 ↩

  2. Mk 6,18 ↩

  3. 3 Kön 18,18 ↩

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