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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In Matthaeum homiliae I-XC Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)
Achtundfünftigste Homilie. Kap. XVII, V.22 - Kap XVIII.

5.

Merkwürdig! Ich versprach euch, bloß Herrscher zu zeigen, aber die Rede hat uns in ihrem Fortgang und in der Hitze des Kampfes weitergeführt als in Aussicht genommen war, sie hat uns anstatt der Herrscher Feinde gezeigt, ja eigentlich Feinde und Herrscher in einer Person. Wie Herrscher wird ihnen gehuldigt und wie Gegner werden sie gefürchtet und liegen auf der Lauer wie Feinde. Kann es ein größeres Unglück geben, als in denselben Leuten Gebieter und zugleich Feinde zu besitzen? Dem Sklaven werden allerdings auch Befehle erteilt, aber der Gebietende wendet ihm doch auch Fürsorge und Wohlwollen zu; jene Höflinge hingegen müssen Befehle entgegennehmen und sind zudem Gegenstand der Bekämpfung und Anfeindung untereinander; dabei sind sie noch schlimmer daran als im Kriege, weil man sie aus dem Hinterhalte zu treffen sucht, unter der Maske von Freunden die Rolle von Feinden spielt und durch den Sturz des Nebenbuhlers emporzukommen trachtet. Bei uns gelten ganz andere Grundsätze. Wenn jemand schlecht handelt, so haben gar viele Mitleid mit ihm, und wenn es ihm gut geht, freuen sich viele mit ihm. Sagt nicht der Apostel: „Wenn ein Glied leidet, S. d846 leiden alle Glieder mit; wenn ein Glied verherrlicht wird, freuen sich alle Glieder mit“1 ; ein andermal spricht derjenige, der also predigt: „Wer ist meine Hoffnung oder Freude? Seid nicht auch ihr es?“2 ; dann wieder: „Weil wir jetzt leben, wenn ihr feststehet im Herrn“3 ; ein andermal: „Aus vieler Drangsal und Herzensangst habe ich euch geschrieben“4 , und: „Wer ist schwach, ohne dass ich schwach bin? Wer wird geärgert, ohne dass ich brenne?“5 .

Warum setzen wir uns also diesem Sturme und Wogendrange auf offener See aus und eilen nicht in diesen sturmfreien Hafen? Warum lassen wir nicht die Scheingüter fahren, um uns den tatsächlichen zuzuwenden? Was sie unter Ehre, Macht, Reichtum und dergleichen verstehen, sind doch nur leere Worte; was wir darunter verstehen, ist alles das in Wirklichkeit; ebenso wie umgekehrt Widerwärtigkeiten, Tod, Schmach, Armut und dergleichen für uns bloße Namen sind, während es für jene deren Wirklichkeit bedeutet. Fassen wir nur einmal die Ehre ins Auge, nach der jene so sehr verlangen und geizen. Ich will gar nicht davon reden, dass sie unbeständig ist und schnell vergeht; zeige sie mir, wenn sie in voller Blüte dasteht. Du brauchst der Hure nicht Puder und Schminke abzuwischen; führe sie uns nur in vollem Aufzuge vor, dann will ich dir doch zeigen, wie hässlich sie eigentlich ist. Du wirst nun gewiss auf den Prunk hinweisen, auf die Menge der Trabanten, auf das Rufen der Herolde, auf die Unterwürfigkeit der Leute, auf das Verstummen des Volkes, darauf, dass alle einer solchen Persönlichkeit beim Begegnen huldigen und sich nach ihr umsehen. Ist das nicht etwas Glänzendes? Wohlan, sehen wir, ob es nicht doch nur eitle und alberne Einbildung ist. Wird ein so angesehener Mann durch alle diese Umstände dem Leibe oder der Seele nach etwa besser? Denn das macht ja doch den Menschen aus. Wird er etwa infolgedessen größer, S. d847 kräftiger, gesünder und behender, werden seine Sinne dadurch schärfer und sicherer? Niemand wird wohl so etwas behaupten. Wenden wir uns also der Seele zu, ob nicht ihr aus den Ehrenbezeigungen etwa ein Vorteil erwächst. Ja, wird der Mann infolgedessen vernünftiger, bescheidener, weiser? O nein, sondern gerade das Gegenteil trifft ein. Da geht es nicht wie beim Leibe; dieser wird dadurch einfach nicht tüchtiger, das ist der einzige Nachteil. Die Seele aber hat nicht nur keinen Nutzen davon, sondern vielmehr noch großen Schaden, weil sie durch die Ehrenbezeigungen in Anmaßung, Eitelkeit, Torheit, Zorn und zahllose ähnliche Untugenden verfällt.

Du sagst, aber sie kann sich doch daran erfreuen und ergötzen und damit prunken. Damit hast du nur den Höhepunkt des Unheils bezeichnet, wo das Leiden unheilbar geworden ist. Denn wenn sich einer über seine Übel freut, wird er kaum Verlangen haben, davon befreit zu werden, die Freude versperrt ihm vielmehr den Weg zur Heilung. Das ist ja gerade das Entsetzliche an der Sache, dass er sich darüber freut, anstatt darunter zu leiden, weil die Leidenschaften sich mehren. Es ist aber nicht immer ein Glück, wenn sich ein Mensch freut. Auch der Dieb freut sich am Diebstahl, der Wüstling am Ehebruch, der Habsüchtige an fremdem Gute, der Mörder am Totschlag. Nicht das darf also maßgebend sein, ob sich einer freut, sondern ob der Gegenstand seiner Freude gut ist. Und wir müssen wohl auf der Hut sein, dass unsere Freude nicht der des Ehebrechers oder des Diebes gleiche.

Sage mir nun, worüber freut sich ein Ehrgeiziger? Weil er bei der Menge in Ansehen steht, weil er sich brüsten und die Augen auf sich lenken kann? O, gibt es etwas Erbärmlicheres als ein derartiges Streben und ein so törichtes Verlangen? Wenn das nicht erbärmlich ist, dann höret auf, euch über die Ehrgeizigen lustig zu machen und sie bei jeder Gelegenheit mit Spott zu überhäufen; dann lasset ab, die Anmaßenden und Hochmütigen zu verwünschen. Aber ihr werdet es kaum über euch bringen. Die Angesehenen sind also allen möglichen Angriffen ausgesetzt, mögen sie noch so viele S. d848Trabanten haben. Das will ich von den Machthabern gesagt haben, die noch erträglich sind. Wir finden aber unter ihnen gar manche, die größere Verbrechen verüben als Räuber, Mörder, Ehebrecher und Leichenschänder; denn sie missbrauchen ihre Gewalt, um unverschämter zu stehlen, grausamer zu morden, weit schändlichere Ausschweifungen als jene zu begehen. Ihre Gewalt macht es ihnen leicht, nicht etwa durch eine Mauer einzubrechen, sondern ganze Vermögen und Häuser zu rauben. Dabei liegen sie in den Ketten der ärgsten Knechtschaft, indem sie ihren Leidenschaften feige nachgeben,6 und vor allen Mitwissern in steter Angst schweben. Denn nur wenn man von Leidenschaften frei ist, ist man wahrhaft frei und mächtig und vornehmer als ein König. Davon sollen wir durchdrungen sein, dann werden wir nach der wahren Freiheit streben und uns der schmählichen Sklaverei entledigen; dann werden wir die Tugend aller für ein Glück ansehen, nicht den Dünkel der Gewalt oder die Zwingherrschaft des Reichtums oder dergleichen. Damit werden wir auch den Frieden hier auf Erden genießen und zugleich die ewigen Güter erlangen durch die Gnade und Güte unseres Herrn Jesus Christus, dem die Ehre und die Macht sei im Verein mit dem Vater und dem Heiligen Geiste in alle Ewigkeit. Amen!


  1. 1 Kor 12,26 ↩

  2. 1 Thess 2,19 ↩

  3. ebd 3,8 ↩

  4. 2 Kor 2,4 ↩

  5. ebd 11,29 ↩

  6. die Genossen ihrer Sklaverei schonungslos misshandeln ↩

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