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Wenn aber schon das unbegreiflich gewesen wäre, so wäre das Folgende noch viel törichter. Und was wäre das? Dass sie nach einer so langen Reise alsbald wieder fortgingen, kaum, dass sie das Kind angebetet und alle Welt in Schrecken versetzt hatten. Und welche königlichen Abzeichen hatten sie denn S. 100wahrgenommen? Eine armselige Hütte, eine Krippe, ein Kind in Windeln eingewickelt, und eine arme Mutter. Wem haben sie aber da ihre Geschenke gebracht und weshalb? War es vielleicht Gesetz und Brauch, alle Königskinder, die irgendwo auf die Welt kamen, so zu ehren? Oder hatten sie nichts anderes zu tun, als fortwährend in der Welt herumzureisen, um denjenigen, und wären sie auch niedrig und arm, ihre Huldigung darzubringen, von denen sie wussten, sie würden einmal Könige werden, und dies selbst dann, wenn dieselben noch in niedrigen, armseligen Verhältnissen lebten, und noch nicht einmal den Königsthron wirklich bestiegen hatten? Das wird doch wohl niemand behaupten wollen. Warum aber kamen sie zur Huldigung? Wenn aus irdischen Motiven, was konnten sie da wohl von dem Kinde und seiner armen Mutter erhoffen? Wenn aber der Zukunft wegen, woher konnten sie wissen, dass das Kind, das bei ihrer Huldigung in Windeln lag, sich das Geschehenen später noch erinnern werde? Und hätten sie auch erwartet, die Mutter werde es daran erinnern, sie hätten auch so nicht Lob, sondern Strafe verdient, weil sie dasselbe in offenbare Gefahr gebracht haben. Von diesem Augenblick an hat ja Herodes in seiner Bestürzung alles versucht und alle Hebel in Bewegung gesetzt, um seiner habhaft zu werden. Wer eben einen Menschen, der von Jugend auf arm und einfach lebte, überall als zukünftigen König ausposaunt, der liefert ihn damit nur dem Tode aus, und verursacht ihm tausenderlei Gefahren. Siehst du also, wie viele Unmöglichkeiten sich ergeben, wenn wir diese Sache nur nach menschlichen Gesichtspunkten und nach gewöhnlicher Art beurteilen? Aber nicht bloß das, sondern noch viel mehr könnte man darüber sagen, was uns noch weit größere Rätsel aufgäbe.
Damit wir euch aber nicht durch Häufung von Schwierigkeiten verwirrt machen, so wollen wir jetzt an die Lösung der aufgeworfenen Fragen gehen, und dabei gleich mit dem Sterne den Anfang machen. Denn wenn wir einmal wissen, was das für ein Stern war, woher er kam, ob er nur ein gewöhnlicher Stern war, oder verschieden von den andern, ob es ein wirklicher oder nur S. 101ein scheinbarer Stern war, dann werden wir auch alles andere leicht verstehen. Wer soll uns also das beantworten? Die Hl. Schrift selber. Dass nämlich dies kein gewöhnlicher Stern war, ja, wie mir scheint, überhaupt kein Stern, sondern eine unsichtbare Macht, die diese Gestalt angenommen hatte, das scheint mir zu allernächst aus dem Wege hervorzugehen, den er genommen hatte. Es gibt nämlich keinen einzigen Stern, der in dieser Richtung wandelte. Die Sonne, der Mond, und alle anderen Gestirne wandeln, wie der Augenschein lehrt, von Osten nach Westen; der aber kam von Norden nach Süden; denn das ist die Richtung von Persien nach Palästina. Zweitens kann man dies auch aus der Zeit seines Erscheinens schließen. Denn nicht bei Nacht leuchtete er, sondern am hellen Tage, während die Sonne schien. Das geht über die Kraft eines Sternes, ja selbst über die des Mondes; denn obgleich dieser weit heller scheint als alle Sterne, so verschwindet er doch und wird unsichtbar, sobald der erste Sonnenstrahl erscheint. Dieser Stern jedoch hat durch die Macht seines eigenen Glanzes selbst die Strahlen der Sonne übertroffen, hat heller geschienen als sie, und trotz solcher Lichtfülle noch mächtiger geleuchtet.
Drittens kann man dies daran erkennen, dass er zuerst erscheint und dann wieder verschwindet. Auf dem Wege bis Palästina hat er den Magiern geleuchtet und sie geführt, nachdem sie aber in die Nähe von Jerusalem gekommen waren, verbarg er sich. Als sie dann aber den Herodes über den Zweck ihrer Reise unterrichtet und von ihm fortgegangen waren, da erschien der Stern von neuem. So bewegen sich aber Sterne nicht; das kann nur eine mit großer Einsicht begabte Kraft. Der Stern hatte ja nicht einmal seine eigene Wegrichtung, sondern jedesmal, wenn die Magier sich in Marsch setzen mussten, bewegte auch er sich vorwärts; wenn sie aber stille standen, stand auch wer still und richtete sich ganz nach dem, wie sie es brauchten; gerade so wie S. 102die Wolkensäule, die dem jüdischen Heere zeigte, wann es rasten und wann es aufbrechen sollte. Viertens kann man dies deutlich erkennen an der Art und Weise, wie der Stern sich zeigte. Er blieb nicht in der Höhe und zeigte von da aus den Ort, sonst hätten ihn ja die Magier auch gar nicht erkennen können; nein, er kam zu diesem Zweck herab in die Tiefe. Ihr wißt ja, dass ein Stern einen Ort nicht anzeigen kann, der so klein ist, dass gerade noch eine Hütte auf ihm Platz hat, oder vielmehr, dass er eben noch den Leib eines kleinen Kindes aufnehmen kann. Da er so unermeßlich hoch oben ist, ist er nicht geeignet, einen so eng begrenzten Ort zu bezeichnen und für die kenntlich zu machen, die ihn suchten. Das kann man ja auch beim Monde beobachten; obwohl er alle Sterne an Größe überragt, scheint er doch allen Bewohnern der Welt nahe zu sein, obwohl sie über einen so großen Teil der Erdoberfläche zerstreut leben. Wie hätte also unser Stern den schmalen Raum andeuten können, den die Krippe und die Hütte einnahmen, wenn er nicht von der Höhe herabgekommen und über dem Haupte des Kindes stehen geblieben wäre? Das wollte denn auch der Evangelist andeuten, da er sagte:
V.9: „Siehe, der Stern ging ihnen voran, bis er an dem Ort stille stand, an dem das Kind sich befand.“
Siehst du, mit wie vielen Gründen man beweisen kann, dass dies kein gewöhnlicher Stern war, und dass er sich nicht den Gesetzen der sichtbaren Schöpfung unterworfen zeigte?