4.
Ein solcher Tisch ist ein wonniger Anblick selbst für die Engel, die vom Himmel herniederschauen. Freuen sie sich schon über einen Sünder, der Buße tut, wie groß wird ihre Freude sein an so vielen Gerechten, die mit ihnen wetteifern! Da gibt es keinen Unterschied zwischen Herr und Knecht, alle sind Knechte, alle sind Freie. Glaube nicht etwa, ich spreche in Rätseln. Sie sind gegenseitig wirklich sowohl Knechte als auch Herren. Wenn der Abend genaht ist, stellt sich bei ihnen keine Niedergeschlagenheit ein, wie bei so manchen Leuten, welche die Sorgen und Widerwärtigkeiten des Tages überdenken. Sie brauchen nach dem Nachtmahl nicht aus Besorgnis vor Dieben die Türe zu verschließen und Riegel vorzulegen, noch wie so viele andere vor Gefahren sich zu ängstigen, nicht mit dem Lichte behutsam umzugehen, um nicht etwa durch einen Funken das Haus in Brand zu stecken. Einen ähnlichen Frieden atmet auch ihre Unterhaltung. Sie schwatzen nicht wie wir über Dinge, die einen nichts angehen, z.B. der ist Beamter geworden, der ist aus dem Amte entlassen worden, dieser ist gestorben, jener hat eine Erbschaft gemacht und dergleichen mehr. Bei den Mönchen drehen sich die Reden wie die Gedanken immer um die Ewigkeit; als wohnten sie schon in einer anderen Welt, als wären sie in den Himmel versetzt, als lebten sie im Jenseits, so unterhalten sie sich über die Dinge dort droben, über den Schoß Abrahams, über die Kronen der Heiligen, über den seligen Umgang mit Christus; der Verhältnisse dieser Erde geschieht bei ihnen auch nicht die geringste Erwähnung, darüber verlieren sie kein Wort. Wie wir es nicht der Mühe wert finden, von dem Treiben der Ameisen in ihren Bauten und Höhlen zu reden, so geben sich auch die Mönche nicht mit unserem Tun und Lassen ab, so hat für sie nur Interesse der himmlische König, der Krieg, den wir hier führen müssen, die S. d1005 Umtriebe des Teufels, die guten Werke, welche die Heiligen verrichtet haben.
Wenn wir uns nun mit den Mönchen vergleichen, inwiefern unterscheiden wir uns da von den Ameisen? Wie diese sind wir nur auf materielle Dinge bedacht; und bliebe es nur bei solchen! Leider sind es aber noch viel schlimmere. Wir denken nicht nur an das Notwendige, sondern auch an Überflüssiges. Was die Ameisen treiben, ist nichts Böses; wir aber sind voll Habsucht, wir treiben es nicht bloß wie Ameisen, sondern sogar wie Wölfe und Panther und noch ärger als sie. Sie folgen ja nur dem Triebe der Natur, während wir von Gott mit Verstand und freier Selbstbestimmung ausgezeichnet wurden, trotzdem sind wir schlimmer als die wilden Tiere. Während aber wir schlechter sind als die vernunftlosen Geschöpfe, sind die Mönche den Engeln gleich, sind Fremdlinge und Pilger hier auf Erden. Alles bei ihnen steht im Gegensatze zu uns: Kleidung, Nahrung, Wohnung, Schuhwerk, Gespräche. Wenn jemand sie und uns reden hört, so wird es ihm sonnenklar, dass sie Himmelsbürger sind, wir hingegen nicht einmal verdienen, dass uns die Erde trägt. Insbesondere wenn ein hochgestellter Mann zu ihnen kommt, zeigt sich die Nichtigkeit alles Dünkels. Denn der Mönch, der nur das Land bebaut und nichts von allem, weltlichen Händeln weiß, setzt sich auf den Strohsack oder ein verschlissenes Kopfkissen neben den Feldherrn, der sich so viel auf seinen Rang zugute tut. Es gibt eben dort niemanden, der ihm schmeichelt und Weihrauch streut; es geht vielmehr ebenso, wie wenn einer zu einem Goldschmied oder einem Rosenstrauche kommt; ein solcher nimmt etwas vom Glanze des Goldes und dem Dufte der Rosen an. So erhalten auch die Besucher etwas vom Glanze der Mönche, indem ihre Einbildung ein wenig gemäßigt wird. Wie ein kleiner Mensch groß aussieht, wenn er an einem hochgelegenen Orte steht, so erscheinen auch die Menschen, welche jene erhabenen Männer besuchen, groß, solange sie bei ihnen weilen, werden aber wieder klein, sobald sie sich entfernen, weil sie von dieser Höhe herabsteigen. Bei den Mönchen bedeutet weder der König noch der Konsul etwas, sondern wie S. d1006 wir über Kinder lachen, wenn sie solche Rollen spielen, so sehen die Mönche mit Geringschätzung auf die Leute, welche ihren Stolz in solche Äußerlichkeiten setzen. Das geht klar daraus hervor, dass sie selbst ein Königreich nicht zum Geschenke nehmen würden, wenn sie es auch in aller Sicherheit innehaben könnten. Sie weisen es aber nur deshalb zurück, weil sie es bloß für etwas Zeitliches erachten und in ihrer Hochherzigkeit nach Höherem streben. Wie also? Sollen wir nicht in das Lager überlaufen, wo solche Glückseligkeit zu finden ist? nicht jenen engelgleichen Leuten uns anschließen? nicht die reinen Gewänder anlegen, um diese Hochzeit mitzufeiern? Warum wollen wir arm bleiben, weit ärmer und elender, als die Bettler auf den Straßen? Wer nämlich durch Ungerechtigkeit reich geworden ist, um den steht es schlimmer als um Bettler, denn besser ist betteln als rauben. Jenes ist verzeihlich, dieses ist strafbar; durch Betteln beleidigt man Gott nicht, durch Rauben frevelt man gegen Gott und die Menschen. Oft hat man überdies vom Raube bloß die Lasten, während andere die Vorteile davon ernten. Da wir nun alles das wissen, so lasset uns doch der Habsucht völlig entsagen, dafür um die ewigen Güter uns bemühen und voll Eifer das Himmelreich an uns reißen. Es ist jedoch unmöglich, ganz und gar unmöglich, dass jemand in dasselbe eingehe, der träge und nachlässig ist. O, möchten doch alle eifrig und wachsam werden, dann werden sie es auch erlangen durch die Gnade und Liebe unseres Herrn Jesus Christus, dem Ehre und Macht gebührt in alle Ewigkeit. Amen!