4.
Indes müssen wir wieder zum Anfang unserer Lesung zurückkehren. Wie lautete er doch? „Als aber Jesus geboren ward zu Bethlehem in Judäa, in den Tagen des Königs Herodes, siehe da kamen Magier aus dem Morgenlande nach Jerusalem.“ Die Magier folgten dem Sterne, der sie führte; die Juden dagegen glaubten nicht einmal der Stimme der Propheten. Weshalb gibt uns der Evangelist aber auch die Zeit an und den Ort? „In Bethlehem“, sagt er, und „in den Tagen des Königs Herodes“; und weshalb fügt er auch noch dessen königliche Würde bei? Seine Würde deshalb, weil es auch einen anderen Herodes gab, der den Johannes hatte töten lassen; Jener war aber Tetrarch, dieser König. Den Ort und die Zeit fügt er aber bei, um uns an alte Prophetien zu erinnern. Die eine davon stammt von Michäas, der da sagt: „Und du Bethlehem im Lande Juda, bist keineswegs die geringste unter den S. 106Fürstenstädten Juda's“1 . Die andere Prophetie erging durch den Patriarchen Jakob, der uns ganz genau die Zeit angibt und das große Wunderzeichen beschriebt, das sein Erscheinen begleitet. Er sagt: „Nicht wird die Herrschaft von Juda weichen, noch ein Führer fehlen aus seinem Stamme, bis derjenige kommt, der da auserwählt ist: und auf ihn harren die Völker“2 . Es lohnt sich aber auch, zu untersuchen, woher die Magier zu so hoher Einsicht kamen, und wer sie darauf hingewiesen hat? Mir scheint nämlich, der Stern allein habe nicht alles getan, sondern es habe auch Gott selbst in ihren Seelen gewirkt, so wie er es bei Kyrus gemacht hat, den er dazu bewog, die Juden aus der Gefangenschaft zu entlassen. Das hat er aber nicht so getan, dass er dadurch dessen Freiheit beeinträchtigte; denn, auch als er den Paulus durch eine Stimme von oben rief, hat sich in gleicher Weise die Wirkung seiner Gnade wie dessen Gehorsam betätigt. Aber warum, fragst du, hat er dies nicht allen Magiern geoffenbart? Weil auch nicht alle bereit waren zu glauben, sondern diese waren bereitwilliger als alle anderen. Es sind ja auch Millionen Menschen zugrunde gegangen, und zu den Niniviten allein ward der Prophet gesandt: zwei Räuber hingen am Kreuze, der eine nur ward gerettet. Bewundere also die Tugend dieser Magier, und zwar nicht sowohl, dass sie kamen, als vielmehr, dass sie dabei so furchtlos und unbefangen waren. Um nämlich nicht den Schein aufkommen zu lassen, als seien sie nur Betrüger, so erklären sie offen, wer sie geführt hat, wie weit sie herkommen, und geben ein Beweis ihrer Unerschrockenheit, indem sie sagen: „Wir sind gekommen, ihn anzubeten“, und dabei fürchten sie weder den Zorn des Volkes, noch die Tyrannei des Königs. Deshalb glaube ich, dass sie auch zu Hause die Lehrer ihrer Stammesgenossen wurden. Denn wenn sie sich hier nicht scheuten, so zu sprechen,. so werden sie mit um so größerem Freimut in ihrem eigenen Lande geredet haben, zumal nachdem sie noch die Mitteilung S. 107des Engels und das Zeugnis des Propheten erhalten hatten.
V.3: „Als aber Herodes dies gehört hatte, heißt es weiter, erschrak er und ganz Jerusalem mit ihm.“
Herodes erschrak allerdings mit Recht; er war ja König und fürchtete für sich und seine Kinder. Weshalb aber Jerusalem? Ihm hatten ja doch die Propheten von alters her vorausgesagt, der Neugeborene werde sein Erlöser, sein Wohltäter, sein Befreier sein. Weshalb erschraken sie also? Weil sie geradeso gesinnt waren wie ihre Väter, die sich von Gott und seinen Gaben abwandten, und sich nach den ägyptischen Fleischtöpfen sehnten, obwohl sie so große Freiheit genossen3 . Du aber beachte, wie genau die Propheten sind. Denn gerade das hat der Prophet ebenfalls lange vorher gesagt mit den Worten: „Sie werden darnach verlangen im Feuer verbrannt zu werden; denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt“4 . Trotzdem sie aber erschraken, haben sie doch kein Verlangen, zu sehen, was geschehen ist, sie folgen den Magiern nicht und kümmern sich nicht um sie. So sehr waren sie unter allen Menschen zugleich die hochmütigsten und leichtfertigsten. Sie hätten sich je eigentlich rühmen sollen, dass dieser König bei ihnen geboren worden, dass er sogar Persien an sich zog, dass die ganze Welt ihnen würde untertan werden, da ja die Dinge sich bereits zum Besseren wandten, und sein Reich schon im Entstehen solchen Glanz aufwies; sie rührte aber von all dem nichts. Und doch war es noch gar nicht so lange her, dass sie aus persischer5 Gefangenschaft befreit waren; und selbst wenn sie nichts von den unaussprechlichen, hohen Geheimnissen wussten, hätten sie nur aus dem Vorliegenden einen Schluss ziehen wollen, so hätten sie sich denken müssen: Wenn sie vor unserem König schon bei seiner Geburt so zittern, so werden sie ihn noch viel S. 108mehr fürchten und ihm gehorchen, wenn er einmal groß geworden, und dann werden wir noch glorreicher dastehen als die Barbaren. Aber nichts von all dem regt sie an, so gleichgültig waren sie und doch dabei so voll Neid. Diese beiden Laster müssen wir also mit aller Sorgfalt aus unserer Seele ausrotten, und stärker als Feuer muss derjenige sein, der gegen solche Feinde Stand halten will. Darum sagte auch Christus: „Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu senden; und was will ich anders, als dass es brenne?“6 . Deshalb erschien auch der Heilige Geist in Feuergestalt.