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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In Matthaeum homiliae I-XC Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)
Einundsiebzigste Homilie. Kap. XXII, V.34-46.

1.

V.34: „Als aber die Phaisäer hörten, dass er die Sadduzäer zum Schweigen gebracht hätte, fanden sie sich alle zusammen ein,

V.35: und es befragte ihn einer aus ihnen, ein Gesetzeslehrer, um ihn zu versuchen:

V.36: Meister, welches ist das große Gebot im Gesetze?“

Um ihre Frechheit ins rechte Licht zu stellen, gibt der Evangelist wieder den Grund an, warum die Pharisäer hätten schweigen sollen. Und welchen? Weil sie neuerdings einen Angriff auf den göttlichen Heiland machen, obschon er die Sadduzäer zum Schweigen gebracht hatte. Nach dem Vorgefallenen hätten sie still bleiben sollen; allein sie gehen abermals zum Angriff über und schieben einen Gesetzeslehrer vor, nicht etwa, damit er sich belehren lasse, sondern um den Herrn zu versuchen. Ihre Frage lautet: „Welches ist das erste S. d1021 Gebot im Gesetze?“ Das erste Gebot war nämlich: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben.“ So werfen sie diese Frage nur auf in der Erwartung, er werde, da er sich für Gott ausgebe, es zu verbessern suchen; denn dadurch hätte er ihnen eine Handhabe gegen sich geboten. Was antwortet nun Christus? Er zeigt ihnen, dass sie auf diese Frage gekommen seien, weil sie keine Liebe besäßen, vor Neid vergingen und in Eifersucht befangen wären. Darum sagt er:

V.37: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben.

V.38: Das ist das erste und das große Gebot.

V.39: Ein zweites aber ist diesem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“

Warum sagt er: „ist diesem gleich“? Weil das zweite Gebot dem ersten den Weg bereitet und von diesem wieder gestützt wird. Denn: „Jeder, der Schlimmes verübt, hasset das Licht und kommt nicht an das Licht“1 , und: „Der Tor spricht in seinem Herzen: Es gibt keinen Gott“2 . Was ergibt sich daraus? „Verderbt und abscheulich sind sie geworden in ihren Missetaten“3 , und: „Eine Wurzel aller Übel ist die Habsucht, welcher nachjagend etliche abgeirrt sind von dem Glauben“4 ; endlich: „Wenn jemand mich liebt, wird er meine Gebote halten“5 . Der Angelpunkt seiner Gebote ist eben: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben und deinen Nächsten wie dich selbst.“ Demnach ist die Liebe zu Gott so viel wie die Liebe zum Nebenmenschen nach seinen Worten: „Liebst du mich, Petrus, so weide meine Lämmer“6 , die Nächstenliebe besteht aber in der Beobachtung der Gebote. Somit ist es ganz richtig, wenn er sagt:

V.40: „In diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“

Christus verfährt hier ebenso, wie kurz vorher, als S. d1022 man ihn über die Art und Weise der Auferstehung befragte. Da war er in seiner Belehrung noch über ihre Frage hinausgegangen und hatte gezeigt, dass es eine Auferstehung gebe. In unserem Falle hatte man ihn nur um das größte Gebot gefragt; er erklärt ihnen aber auch das zweite, das dem ersten sehr nahesteht7 . So lässt er durchblicken, wie sie zu der Frage kamen, nämlich dass sie aus Gehässigkeit fragten; denn „die Liebe ist nicht eifersüchtig“8 . Zugleich beweist er damit auch, dass er mit dem Gesetze und den Propheten ganz in Einklange stehe.

Wie erklärt es sich aber, dass Matthäus berichtet, der Mann habe gefragt in der Absicht, den Herrn zu versuchen, während Markus erzählt: „Jesus, welcher gesehen, dass er verständig geantwortet, sprach zu ihm: Du bist nicht fern von dem Reiche Gottes“9 . Darin liegt gar kein Widerspruch; die beiden Evangelisten stimmen ganz gut miteinander überein. Anfangs stellte der Pharisäer die Frage, allerdings um ihn zu versuchen, schöpfte jedoch aus der Antwort Nutzen und dafür spendete ihm der Herr Lob. Nicht gleich anfangs lobte er ihn, sondern erst, als er die Nächstenliebe über die Opfer gestellt hatte, da sprach er: „Du bist nicht ferne vom Reiche Gottes“, weil er nämlich die Nichtigkeiten aufgab und den ersten Schritt zur Tugend machte. Alle Vorschriften des Alten Bundes, das Sabbatgebot wie alle anderen, liefen ja nur auf dieses eine Gebot der Liebe hinaus. Indes war das Lob, das der Herr erteilte, nicht vollkommen, sondern enthielt eine Beschränkung, denn die Worte: „Du bist nicht ferne“ besagen, dass er es in Wirklichkeit noch nicht erreicht habe; er wollte ihn damit anregen, um das Fehlende sich noch zu bemühen. Auch der Umstand darf nicht befremden, dass ihn der Herr belobte wegen der Worte: „Es ist nur ein Gott und außer ihm ist kein anderer“10 . Lerne vielmehr daraus, dass er in seinen Antworten den Sinn der S. d1023 Fragesteller im Auge hat. Denn mag man auch über Christus alles mögliche behaupten, was seiner Erhabenheit unwürdig ist, das eine wird doch niemand zu leugnen wagen, dass er Gott ist. Wie kann er also den Mann loben, der sagt, es sei außer dem Vater kein anderer Gott? Er will damit nicht in Abrede stellen, dass er selbst Gott ist, bewahre. Es war aber noch nicht an der Zeit, seine Gottheit zu offenbaren, darum lässt er es geschehen, dass der Mann bei dem alten Glaubenssatze stehen bleibt, und lobt ihn, dass er so gut darin bewandert ist, um ihn für die Lehren des Neuen Bundes vorzubereiten, wenn er sie bei Gelegenheit einführen würde. Übrigens will der Satz: „Es ist nur ein Gott und außer ihm ist keiner“, überall wo er sich im Alten Bunde findet, nicht den Sohn ausschließen, sondern nur andere Gottheiten. Das Lob, das diesen Worten gespendet wurde, kann also nur in diesem Sinne gemeint sein.

Nachdem der Herr geantwortet, richtet er auch eine Frage an sie:

V.42: „Was dünket euch von Christus? Wessen Sohn ist er? Sie sagten zu ihm: Des David.“

Siehe, er stellt diese Frage, nachdem so viele Wunder und Zeichen, so viele Fragen schon vorhergegangen, nachdem er in Worten und Werken so schlagende Beweise geliefert, dass er ganz eins sei mit dem Vater, nachdem er soeben den Mann belobt, der gesprochen: „Es ist nur ein Gott.“ Man sollte eben nicht sagen können, er wirke zwar Wunder, sei aber ein Gegner des Gesetzes und ein Widersacher Gottes. Er lässt erst so vieles vorausgehen, ehe er diese Frage an sie stellt, um sie unmerklich darauf hinzuführen, auch ihn als Gott zu bekennen. Seine Jünger hatte er zuerst nach der Meinung der anderen und dann erst um ihre eigene gefragt. Nicht so bei den Pharisäern; denn sie hätten wahrscheinlich gesagt, er sei ein Verführer und Bösewicht; sie sagten ja alles ohne Scheu. Er befragte sie daher um ihre eigene Ansicht.


  1. Joh 3,20 ↩

  2. Ps 13,1 u. 52,1 ↩

  3. ebd 13,2 ↩

  4. 1 Tim 6,10 ↩

  5. Joh 14,13 u. 23 ↩

  6. Joh 21,17 ↩

  7. es ist zwar das zweite, aber dem ersten ähnlich ↩

  8. 1 Kor 13,4 ↩

  9. Mk 12,34 ↩

  10. Mk 12,32 ↩

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