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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In Matthaeum homiliae I-XC Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)
Fünfundsiebtigste Homilie. Kap. XXIV,V.1-15.

1.

V.1; "Und Jesus ging hinaus und entfernte sich von dem Tempel. Und seine Jünger traten hinzu, um ihm die Bauwerke des Tempels zu zeigen.

V.2: Er aber entgegnete und sprach zu ihnen. Sehet ihr all das? Wahrlich, ich sage euch: Nicht ein Stein wird auf dem andern gelassen werden, der nicht herabgebrochen würde."

Weil der Herr gesagt: "Euer Haus wird euch verödet gelassen werden" und unzählige Übel vorausgesagt hatte, so traten die Jünger, welche alles mitangehört hatten, voll Staunen zu ihm und zeigten ihm den herrlichen Tempel; sie waren eben im Zweifel, ob all die Schönheit, der gewaltige Bau und die unbeschreiblichen Kunstwerke wirklich vernichtet werden sollten. Er redet aber jetzt nicht mehr bloß von einer Verödung, sondern weissagt eine vollkommene Zerstörung."Sehet ihr nicht dieses alles", sagt er, und ihr wundert euch und staunet? "Es wird kein Stein auf dem anderen gelassen werden." Wie kommt es aber, dass doch Rest geblieben sind, fragst du? Was verschlägt das? Deswegen ist die Weissagung keineswegs falsch gewesen. Entweder wollte der Herr nur die gänzliche Verödung andeuten oder er redete bloß von der Stelle, wo er stand. Einige Teile des Tempels sind auch tatsächlich bis auf den Grund zerstört. Übrigens könnte man noch hinzufügen, dass sich nach dem, was bereits geschehen ist, auch die Hartnäckigsten überzeugen müssen, S. d1068 dass auch die Reste vollends zugrunde gehen werden.

V.3: "Nachdem er sich aber auf dem Ölberg niedergesetzt hatte, traten seine Jünger allein zu ihm und sagten: Sage uns, wann wird dieses alles geschehen, und welches ist das Zeichen deiner Ankunft und der Vollendung der Weltzeit?"

Darum also kamen sie "allein" zu ihm, weil sie ihn darüber fragen wollten. Sie sehnten sich, den Tag seiner Ankunft zu erfahren, weil es sie gar sehr verlangte, jene Herrlichkeit zu schauen, die so viel Glück für sie im Gefolge haben sollte. Zwei Fragen sind es, die sie hierbei an ihn richten: "Wann wird das sein?", nämlich die Zerstörung des Tempels, und: "Welches ist das Zeichen deiner Ankunft?" Lukas1 erwähnt nur die eine Frage betreffs Jerusalems, da sie meinten, dann werde auch seine Ankunft sofort erfolgen. Markus2 wieder erzählt, nicht alle hätten ihn über die Zerstörung Jerusalems gefragt, sondern nur Petrus und Johannes, die mit ihm vertraulicher verkehren durften als die anderen. Was erwidert nun der Herr?

V.4: "Seid auf der Hut, dass niemand euch irreführe!

V.5: Viele nämlich werden kommen unter meinem Namen, die da sagen: Ich bin Christus, und viele werden sie irreführen.

V.6: Ihr werdet aber hören von Kriegen und Kriegsgerüchten. Sehet zu, dass ihr nicht verwirrt werdet, denn es muss dieses alles geschehen, aber noch ist es nicht das Ende."

Die Jünger schienen zu glauben, die Strafe, die der Herr Jerusalem angedroht hatte, gehe sie nichts an, sie seien aller Bedrängnis überhoben und träumten nur von dem Lohne, der ihnen gar bald, wie sie meinten, zuteil werden sollte. Deshalb sagt ihnen denn der Herr von neuem Drangsal vorher, damit sie sich auf den Kampf gefasst machten, und heißt sie doppelt wachsam sein, um sie nicht durch die Vorspiegelungen von Betrügern S. d1069 umgarnen und durch die Wucht des hereinbrechenden Unglückes niederschlagen zu lassen. Man wird es nämlich mit zwei Gegnern zu tun haben, sagt er, mit den Verführern und mit den äußeren Feinden. Der Kampf gegen jene wird um so heftiger sein, als er mitten in der Zerstörung und Verwirrung des Reiches und unter der Furcht und Bestürzung des Menschen entbrennen wird. Und in der Tat, es war eine gewaltige Aufregung, da das römische Reich auf dem Gipfel seiner Blüte stand, Staaten eroberte, Heere und Waffen in Bewegung standen und da viele Leute leichtgläubig waren. Der Krieg, von dem der Herr redet, ist nicht ein Krieg im Auslande oder sonst irgendwo auf der Welt, sondern der Krieg in Jerusalem. Was hätte ihnen auch an den anderen Kriegen liegen sollen? Auch wäre es gar nichts Besonderes gewesen, wenn er nur die Drangsale gemeint hätte, die auf der Erde jederzeit vorkommen; denn Kriege, Aufruhr und Schlachten gab es von jeher. Die Kriege, von denen er redet, sind die jüdischen, die kurz nachher ausbrechen sollten; die römische Macht war ihnen ja ohnedies ein Dorn im Auge. Weil aber auch die Jünger hierdurch in Unruhe versetzt werden konnten, sagt er ihnen das alles voraus. Um ihnen aber auch zu zeigen, dass er selbst gegen die Juden vorgehen und sie bekriegen werde, spricht er nicht bloß von Schlachten, sondern auch von Gottesgeißeln, von Hunger, Pest und Erdbeben. Damit deutet er zugleich an, dass er selbst es ist, der auch die Kriege über die Juden kommen ließ, dass das alles nicht einfachhin nach dem gewöhnlichen Laufe der Weltgeschichte geschehe, sondern eine Folge der Rache des Himmels sein werde. Deshalb sagte er auch, dass es nicht unvorbereitet kommen würde, sondern dass erst Anzeichen vorhergehen sollten. Die Juden hätten die Schuld an ihrem Unglück leicht den damaligen Christen zuschieben können; deshalb erklärte der Herr auch, warum es hereinbrechen werde. Früher hatte er gesagt: "Wahrlich, ich sage euch, alles dieses wird über dieses Geschlecht kommen"3 , um sie an ihre Mordtaten zu erinnern. Damit indessen die S. d1070 Jünger, wenn sie von dem gewaltigen Unheil hörten, nicht meinten, die Predigt des Evangeliums werde dadurch beeinträchtigt werden, fuhr er fort: "Sehet zu, dass ihr nicht verwirrt werdet, denn dieses alles muss geschehen", d.h. alles, was ich vorhergesagt habe, sowie der Beginn der Prüfungen wird meine Worte nicht unwirksam machen, mag auch Verwirrung und Unruhe herrschen, meine Weissagungen werden dadurch keineswegs beeinträchtigt werden. Da er ferner zu den Juden gesagt hatte: "Von jetzt an werdet ihr mich nicht mehr sehen, bis dass ihr saget: Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn"4 , so hätten die Jünger gedacht, mit der Zerstörung Jerusalems werde zugleich das Ende der Welt eintreten. Diese Meinung stellt er nun richtig und erklärt: "Aber noch ist es nicht das Ende." Dass die Jünger so dachten, wie ich sagte, ergibt sich aus ihrer Frage: Sie fragten nämlich: "Wann wird das sein?", d.h. wann wird Jerusalem zugrunde gehen? "Und was wird das Zeichen Deiner Ankunft und der Vollendung der Weltzeit sein?"

Allein der Herr gab nicht sofort Antwort auf diese Frage; er redet erst von dem, was das Dringendste war, was man vor allem erfahren musste. Er spricht also nicht sogleich über Jerusalem oder von seiner zweiten Ankunft, sondern von den Heimsuchungen, die unmittelbar bevorstanden. Auf diese bereitet er die Jünger vor, wenn er spricht: "Sehet zu, dass niemand euch irreführe. Viele werden nämlich kommen unter meinem Namen und sagen: Ich bin Christus." Nachdem er so ihre Aufmerksamkeit geweckt hat5 , sie auf den Kampf aufmerksam gemacht und zur Wachsamkeit aufgefordert hat, spricht er von den falschen Messiassen, um dann erst auf die Zerstörung Jerusalems überzugehen. Auf diese Weise zwingt er auch die Beschränktesten und Streitsüchtigsten durch den Hinweis auf die Ereignisse, die vorher eintraten, zum Glauben an die noch folgenden.


  1. 21,7 ↩

  2. 13,3 ↩

  3. Mt 23,36 ↩

  4. Mt 23,39 ↩

  5. "Sehet zu", sagt er, "dass niemand euch irreführe" ↩

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